Hochverehrtester Herr von Bülow!
Aus Berlin ging mir kürzlich die Nachricht zu, daß Sie beabsichtigen, meinen Macbeth am 29. Februar in einem Ihrer Berliner Concerte zur Aufführung zu bringen. Ich kann Ihnen, hochverehrtester Meister, nun gar nicht sagen, wie tief gerührt und ergriffen mich dieser Beweis Ihrer liebevollen und freundlichen Gesinnungen für mich hat, da ich doch weiß, wie wenig sympathisch Ihnen gerade Macbeth ist. Diesen neuen Beweis Ihrer wohlwollenden Gesinnung für mich begrüße ich mit um so größerer Freude, als Ihre Stellung zu meinen, gegenüber den Zeiten, wo ich noch die Ehre hatte, direct Ihr Schüler zu sein, veränderten Kunstanschauungen gerade in den letzten Jahren in mir zu meinem großen und aufrichtigen Kummer den Glauben erwecken mußte, Sie wären mir auch persönlich nicht mehr so gut wie ehedem. Wie weit nun hierin die niederträchtigen Machinationen von infamen Juden und Judengenossen Schuld tragen, vermag ich selbst nur ungefähr zu bemessen, wenn ich in meiner Erfahrung das Verfahren dieser Herren erwäge, wie sie es gegen Sie selbst einzuschlagen beliebten. Ich muß bei dieser Gelegenheit Freund Rösch’s Mitteilungen an Sie, von der er mir heute Morgen berichtete, bestätigen und wohl jetzt nachträglich meine Zustimmung zu seiner Indiscretion erteilen. Ich habe Ihnen seiner Zeit von Herrn Wolff’s Anfrage an mich bezüglich der Übernahme der Berliner Concerte keine Mitteilung gemacht, weil ich auf diese bloße Anfrage hin mich nicht befugt glaubte, ein Verhältnis zu stören, in dem Sie, hochverehrtester Herr von Bülow, anscheinend in größtem Vertrauen sich bewegten; nun aber, wo sich in den Berliner Verhältnissen so manches zu verändern scheint, wo ich aus den Zeitungen erfahre, daß [120] Sie die Berliner Concerte im nächsten Jahre nicht mehr übernehmen wollen, wo ich beinahe hoffen darf, daß aus meines herrlichen Meisters Umgebung diejenigen bösen Elemente verschwinden werden, die es wohl oft versucht haben, Ihr Vertrauen zu meiner Ehrlichkeit als Mensch u. Künstler zu erschüttern, in diesem Augenblicke, wo Sie zugleich mir einen neuen Beweis Ihrer mir so wertvollen Freundschaft geben, wird es Ihnen wohl nicht unbescheiden erscheinen, wenn ich Ihnen auf das aufrichtigste u. ergebenst versichere, daß Nichts, Nichts auf dieser Welt je im Stande war u. sein wird, meine unbegrenzte Liebe, Verehrung u. innigste Dankbarkeit für Sie zu ertöten oder auch nur zu verringern.
Verzeihen Sie, hochverehrtester Herr von Bülow, diese meine Offenheit; aber ein anscheinendes Mißtrauen, das ich bei Ihnen in den letzten Jahren gegen mich sich einschleichen zu sehen glaubte, drückt mich schon lange u. bereitete mir viel Schmerz. Nun muß ich einmal frisch von der Leber weg reden und gerade Rösch’s Mitteilung gibt mir die schönste Hoffnung, jetzt von Ihnen nicht mißverstanden zu werden.
Mit den herzlichsten Wünschen für Ihre Gesundheit u. den besten Grüßen
Ihr
in größter Verehrung u. Danbkarkeit
stets treu ergebener
Richard Strauss.