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Brief
Richard Strauss an Hans von Bülow
Samstag, 30. Januar 1892, Weimar

relevant für die veröffentlichten Bände: III/4 Macbeth

Hochverehrtester Herr von Bülow!

Aus Berlin ging mir kürzlich die Nachricht zu, daß Sie beabsichtigen, meinen »Macbeth« am 29. Februar in einem Ihrer Berliner Konzerte zur Aufführung zu bringen. Ich kann Ihnen, hochverehrtester Meister, nun gar nicht sagen, wie tief gerührt und ergriffen mich dieser Beweis Ihrer liebevollen und freundlichen Gesinnungen für mich hat, da ich doch weiß, wie wenig sympathisch Ihnen gerade »Macbeth« ist. Diesen neuen Beweis Ihrer wohlwollenden Gesinnung für mich begrüße ich mit um so größerer Freude, als Ihre Stellung zu meinen, gegenüber den Zeiten, wo ich noch die Ehre hatte, direkt Ihr Schüler zu sein, veränderten Kunstanschauungen gerade in den letzten Jahren in mir zu meinem großen und aufrichtigen Kummer den Glauben erwecken mußte, Sie wären mir auch persönlich nicht mehr so gut wie ehedem. Wie weit nun hierin die niederträchtigen Machinationen […]1 die Schuld tragen, vermag ich selbst nur ungefähr zu bemessen, wenn ich in meiner Erfahrung das Verfahren dieser Herren erwäge, wie sie es gegen Sie selbst einzuschlagen beliebten. Ich muß bei dieser Gelegenheit Freund Röschs Mitteilungen an Sie, von der er mir heute Morgen berichtete, bestätigen und wohl jetzt nachträglich meine Zustimmung zu seiner Indiskretion erteilen. Ich habe Ihnen seiner Zeit von Herrn Wolffs Anfrage an mich bezüglich der Übernahme der Berliner Konzerte keine Mitteilung gemacht, weil ich auf diese bloße Anfrage hin mich nicht befugt glaubte, ein Verhältnis zu stören, in dem Sie, hochverehrtester Herr von Bülow, anscheinend in größtem Vertrauen sich bewegten; nun aber, wo sich in den Berliner Verhältnissen so manches zu verändern scheint, wo ich aus den Zeitungen erfahre, daß Sie die Berliner Konzerte im nächsten Jahre nicht mehr übernehmen wollen, wo ich beinahe hoffen darf, daß aus meines herrlichen Meisters Umgebung diejenigen bösen Elemente verschwinden werden, die es wohl oft versucht haben, Ihr Vertrauen zu meiner Ehrlichkeit als Mensch und Künstler zu erschüttern, in diesem Augenblicke, wo Sie zugleich mir einen neuen Beweis Ihrer mir so wertvollen Freundschaft geben, wird es Ihnen wohl nicht unbescheiden erscheinen, wenn ich Ihnen auf das aufrichtigste und ergebenst versichere, daß nichts, nichts auf dieser Welt je im Stande war und sein wird, meine unbegrenzte Liebe, Verehrung und innigste Dankbarkeit für Sie zu ertöten oder auch nur zu verringern.

Verzeihen Sie, hochverehrtester Herr von Bülow, diese meine Offenheit; aber ein anscheinendes Mißtrauen, das ich bei Ihnen in den letzten Jahren gegen mich sich einschleichen zu sehen glaubte, drückt mich schon lange und bereitete mir viel Schmerz. Nun muß ich einmal frisch von der Leber weg reden und gerade Röschs Mitteilung gibt mir die schönste Hoffnung, jetzt von Ihnen nicht mißverstanden zu werden.

Mit den herzlichsten Wünschen für Ihre Gesundheit und den besten Grüßen

Ihr

in größter Verehrung und Danbkarkeit

stets treu ergebener

Richard Strauss

1Auslassung in der Transkriptionsgrundlage.
verantwortlich für die Edition dieses Dokuments: Stefan Schenk

Quellennachweis

  • Original: Unbekannt

    • Autopsie: Keine Autopsie des Originals.

Bibliographie (Auswahl)

  • Edition in Hans von Bülow / Richard Strauss / Willi Schuh (Hrsg.) / Franz Trenner (Hrsg.): Briefwechsel, in: Willi Schuh (Hrsg.): Richard-Strauss-Jahrbuch 1954, Bonn, 1953, S. 79–80.
  • Edition in Gabriele Strauss (Hrsg.): Lieber Collega! Richard Strauss im Briefwechsel mit zeitgenössischen Komponisten und Dirigenten, Bd. 1 (= Veröffentlichungen der Richard-Strauss-Gesellschaft, Bd. 14), Berlin, 1996, S. 91–92. (Transkriptionsgrundlage)

Zitierempfehlung

Richard Strauss Werke. Kritische Ausgabe – Online-Plattform, richard‑strauss‑ausgabe.de/d02285 (Version 2017‑03‑31).