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Brief
Richard Strauss an Karl Wolff
Januar 1889

relevant für die veröffentlichten Bände: III/3 Aus Italien
[1r]

Bei der erschreckenden Urteils- und Verständnislosigkeit eines grossenTeils der heutigen Männer der Feder überraschte mich die, mir obendrein so schmeichelhafte Kundgebung eines wahrhaft Berufenen doppelt angenehm, denn es ist mir schon zu wiederholtem Male passiert, dass sich ein grosser Teil von Kritik, wie Publikum, durch vielleicht blendende, rein nebensächliche Aeusserlichkeiten meines Werkes über den eigentlichen Inhalt desselben täuschen liessen, ja, denselben vollständig übersehen haben. Es ist doch eigentlich zu lächerlich, einem heutigen Komponisten, dem sowohl die Klassiker, insbesondere der letzte Beethoven, als auch Wagner und Liszt Lehrmeister waren, zuzutrauen, dass er ein Werk von einer Länge von 3/4 Stunden schreibt, um mit einigen pikanten Tonmalereien und glänzender Instrumentation, deren heutzutage beinahe jeder vorgeschrittene Konservatorist mächtig ist, prunken zu wollen. »Ausdruck« ist unsere Kunst, mehr als die bildenden Künste, ja selbst die Wortpoesie! Die Poesie ist aber die Mutter aller Künste, und ein Musikwerk, das mir keinen wahrhaft poetischen Inhalt mitzuteilen hat – natürlich einen, der sich eben nur in Tönen wahrhaft darstellen, in Worten allenfalls andeuten, aber nur andeuten lässt – ist für mich eben etwas, was ich unter alles andere eher rechnen möchte, als unter die eben deshalb poetischste Kunst, weil sie des höchsten Ausdrucks fähig ist: die Musik. –

Es mag Ihnen vielleicht merkwürdig erscheinen, aber Ihre Besprechung meines neuen Werkes gehört unter die ersten, die mir den Beweis lieferten, dass ihr Urheber den Inhalt meines Werkes: Empfindungen beim Anblick der herrlichen Naturschönheiten Roms und Neapels, nicht Beschreibungen derselben – »Ein musikalischer Bädeker Süditaliens« bekam ich einmal zu lesen – wirklich erfasst hat. Es mag Ihnen vielleicht komisch sein, aber es ist leider so.

verantwortlich für die Edition dieses Dokuments: Stefan Schenk

Quellennachweis

  • Original: Unbekannt

    • Hände:

      • unbekannt
    • Autopsie: Keine Autopsie des Originals.

Bibliographie (Auswahl)

  • Auszug in Walter Werbeck, Die Tondichtungen von Richard Strauss (= Dokumente und Studien zu Richard Strauss, Bd. 2), Tutzing, 1996, S. 25–26.
  • Auszug in Karl Wolff, »Ein Brief von Richard Strauss«, in: Rheinische Musik-Zeitung, Jg. 1, Heft 4, Donnerstag, 8. November 1900, S. 37–38, S. 37–38. (Transkriptionsgrundlage)

Zitierempfehlung

Richard Strauss Werke. Kritische Ausgabe – Online-Plattform, richard‑strauss‑ausgabe.de/d35894 (Version 2021‑04‑12).

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