Alsterglacis 10 II
Mein lieber Freund!
Deine Antwort vom 23. hat mich bewogen mir Gewalt anzuthun und so sende ich Dir heute den größten Theil des Chopinschen Etüden-Restes. Der Schluß folgt noch vor dem ersten nächsten Monats. Mach dann damit was Du willst; kritische Ausstellungen werde ich »gern« berücksichtigen. Es sollte mich freuen, wenn meine Unzufriedenheit nur als eine rein subjective zu gelten hätte.
Nb. die letzte Etüde Cmoll (Op. 25 No XII) bedarf leider vollständig neuer Niederschrift – den bisher von mir praktizirten Notationsgrundsätzen gemäß – jeder Hand ihr eignes System – ist mein Msrcpt [Manuskript] zu undeutlich für den Stecher, so laß es a spesc mie [?] von irgend einem kalligraphischen Disant [?] copiren. Genannter Umstand – Ab, resp. Aufschreiberei verzögert die gleichzeitige Absendung des letzten Restes. [1v] Besten Dank für die Notiz bez. Strauss’ Fantasie – ich retournire W.’s Zeilen an den Componisten. Gleichzeitig hat mir W. geschrieben, daß er demselben die Einstudierung und Leitung vorschlagen wolle. Das wäre insofern sehr praktisch, als dann so viele Proben als nöthig-möglich gehalten werden könnten, während ich – nur auf ein triduum jedesmal in Berlin – trotz telephoner Verbindung beider Städte hiervon doch keinen Gebrauch machen könnte.
Ich muß Dir für heute Lebewohl sagen, da mich die erste Klavierprobe erwartet – die neueinzustudierende Jessonda wird am 14. Sept. mein Dirigentendebüt sein. Schon aus Rücksicht für – Prag – muß ich mit einer unzweifelhaft germanischen Oper beginnen.
Mit besten Grüßen
treulichst Dein alter
HvBülow