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Brief
Richard Strauss an Pauline Strauss
Mittwoch, 5. Dezember 1906, Berlin

relevant für die veröffentlichten Bände: I/3a Salome, I/3b Salome (Weitere Fassungen)

Mein liebes, liebes Pauxerl!

Es ist so schrecklich traurig für mich, daß Du überhaupt u. besonders heute nicht […]da bist. […]

Am 13.ten Dezember Abends spätestens muß ich nach Wien u. fahre von da direkt nach Turin. –

Das Durcheinander dieser Tage hier [?] war furchtbar: täglich 3 Briefe aus Paris, wo sich um Salome ein ganzer Kampf entsponnen hat. 3 Direktoren, die sich um die große Oper bewerben, benützen die Salome als Sprungbrett, um sich damit die Direktion zu sichern: Salome ist dort die Löwin des Tages u. ich kann verlangen, was ich will. Tout Paris hängt an meinen Fingerspitzen: es ist zu komisch. Wenn Du in der Langeweile beiliegende 2 Briefe lesen willst, geben Ssie Dir ungefähr einen Begriff von dieser Pariser Intriguenjagd. Ich habe mich entschlossen, sehr vorsichtig zu sein u. erst die in 14 [Seitenwechsel] Tagen fällige Entscheidung, wer Direktor wird oder bleibt, abzuwarten bis ich meine definitiven Bedingungen stelle. Ich kom̅e mir wie der Großmogul von Palästina vor, bin aber bei all den sich strikte widersprechenden »renseignements« so weit im Bilde, daß ich sicher bin, keine Dum̅heit zu begehen.

Also in 2 Stunden geht’s los: wie scheußlich, daß Du nicht dabei bist. Deine Offiziere sitzen nun ganz verwaist in ihrer Loge. Frau von Bomhard war heute hier, sich nach Deinem Befinden zu erkundigen.

Hülsen liegt auf den Tod erkältet mit sehr schmerzhafter Ohrenentzündung zu Hause, hofft aber mit Morphium injicirt u. mit verbundenem Kopf doch in die Vorstellung fahren zu können. Hast Du ihm mit ein Paar Zeilen gedankt?

Glaubst du, frage [?] Dr Loeb, am 10. Januar im [Seitenwechsel] Leipziger Gewandhaus 4 bis 5 Lieder mit Orchester singen zu können? Ich habe vorläufig zugesagt. Paßt es Dir nicht, kann im̅er wieder abgesagt werden. Bubi ist wohl u. vergnügt, lernt fleißig u. läßt seine liebe Mama u. Großmama tausend mal grüßen.

Die Mädchen sind tadellos ordentlich (ich sehe im̅er nach) u. grüßen bestens. Fräulein lasse ich morgen Abend in den Freischütz, die andere Freitag in ein Lustspiel.

Nun leb wohl, tausendmal gute Besserung u. vergiß nicht, mir morgen Donnerstag hieher zu telegrafiren, wann Du heimzureisen gedenkst u. ob Du mich zur Begleitung brauchst.

Mit innigsten Grüßen
Dein treuer, aber
armer u. verlassener
Richard.

Viele Grüße an die beiden Großmamas und Hanna.

[Seitenwechsel] Das Fräulein erklärt soeben, daß sie, so lange Du nicht hier bist, nicht in’s Theater gehen u. Bubi selbst zu Bett bringen soll will. Sie ist sehr gewissenhaft u. will ich also davon nicht abbringen.

verantwortlich für die Edition dieses Dokuments: Claudia Heine

Quellennachweis

  • Original: Unbekannt (Autograph)

    • Hände:

      • Richard Strauss (handschriftlich)
    • Autopsie: Keine Autopsie des Originals.

    • Reproduktionen:

      • Richard-Strauss-Archiv (Garmisch-Partenkirchen), Signatur: [FAMILIENBRIEFE IV, 1906–1910, Nr. 216] (Transkriptionsgrundlage)

        • Autopsie: 2017-09-12

Zitierempfehlung

Richard Strauss Werke. Kritische Ausgabe – Online-Plattform, richard‑strauss‑ausgabe.de/d32606 (Version 2021‑09‑29).

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