Verehrter Freund!
Ihren Brief mag ich nicht unbeantwortet lassen, trotzdem mir gar nicht schreiberlich zu Muthe ist. Meine Nerven sind durch viel Gram und Kummer (um wie viel erträglicher ist doch der böseste Ärger!) seit einigen Tagen recht sehr – zerrüttet. Gottlob, daß morgen wieder business, daß ich keine Zeit habe, krank zu werden – letzteres dürfte mir vielleicht überhaupt erspart sein: wenn einmal déclin aufkommt, wird’s plötzliches Ende geben. Ich verdiene eine solche Plötzlichkeit – ich bringe Anderen so viele Opfer – ja mich selbst – ohne Frieden zu erreichen.
Doch erwidern »wir« lieber ihre Fragen. Strauß’ Don Juan hatte in Berlin Erfolg, entschiedenen. Börsencourier [Berliner Börsen-Courier] und Börsenztg. [Berliner Börsen-Zeitung] bestreiten ihn nicht, der rustikale U. in Tante Voß [Vossische Zeitung] natürlich aus Haß gegen mich. NB: Dresden war ein Fiasco1. Carreño ist ein Phänomen, ein exotisches, entzückendes – eine junge Kundry. Ich nenne sie benedicta in nomine Apollinis, denn sie fegt uns das Terrain rein von allen Klaviercotillons, die neben ihr verduften müssen. Überall, wo sie spielt, wird sie zum zweiten, ja zum Dritten Male engagiert. – – Ich rathe ihnen zu dieser Bereicherung an new sensations. – –
1 | »Strauß’ Dresdner Don Juan-Durchfall wird mich natürlich ermuntern, das Werk am 31. in Berlin aufzuführen.« (An Hans v. Bronsart 17. 1. 90.) [Anmerkung in der Transkriptionsgrundlage]. |