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Brief
Richard Strauss an Johanna Strauß
Donnerstag, 11. Februar 1892, Weimar

relevant für die veröffentlichten Bände: III/4 Macbeth
[1r]

Liebe Hanna!

Herzlich freue ich mich, daß es Dir wieder gut geht u. hoffe sicher, daß [Du] im März zu mir zu Besuch kom̅st, da werde ich Dir Nervosität etc. schon austreiben.

Beiliegend Bülows Brief, den ich auch Ritters bitte zu lesen zu geben, auch Rösch’s Brief aber baldigst rückzusenden bitte. Die Sache Bülow‑Wolff ist bereits erledigt; Bülow dirigirt nächstes Jahr nur mehr die Baumburger Concerte, sein Nachfolger in Berlin ist Moskovski aus Breslau, ein sehr tüchtiger Kerl, der auch in Coblenz schon u. voriges Jahr in Breslau meine Fmollsinfonie aufgeführt hat.

Wie so ich Wolff gegenüber einen unangenehmen Standpunkt haben werde u. welche Ansicht ich beobachten soll, ist mir nicht recht klar, was geht mich das Judenpack an? Mehr wie durchfallen kann der Macbeth in Berlin auch nicht; das ist mir auch total wurst; es macht mir [1v] nur Spaß, den Macbeth einmal in der Neuinstrumentirung zu hören. –

Mit Bayreuth verhält sich die Sache anders. Ich soll entweder Tristan oder Tannhäuser allein dirigiren u. dazu eventuell die Meistersinger Proben mit vielleicht einer Aufführung. Blos die Meistersingerproben für den faulen Richter zu halten, dazu gebe ich mich nicht her, übrigens hat bis jetzt Richter versprochen, schon zum Beginn der Proben diesen Som̅er in Bayreuth sein zu wollen. –

Mit Alvary war’s hier dieselbe Narretei wie in München, statt des Tristan sang er als 2. Vorstellung aber Meistersinger; das Publicum war verrückt, ich aber habe nichts frecheres, schamloseres, talentloseres, unwahreres gesehen als diesen Tannhäuser. Das war Kasperltheater, was ja bekanntlich bei der großen Ochsenherde Publicum im̅er noch am meisten zieht. Dem Großherzog hat übrigens Alvary auch nicht gefallen; er sprach [2r] gestern bei einer Soirée bei Frau Kromsta [?] mit mir darüber, u. äußerte sich wirklich sehr geistvoll u. liebenswürdig anerkennend über meine Tristanaufführung u. Zeller u. Naumann. Auch dem Erbgroßherzog, der mich neulich zu Pferde auf der Straße ansprach u. mir seine Anerkennung für die Tannhäuseraufführung aussprach, hat der Alvary nicht gefallen.

Nach München werde ich wohl vorläufig nicht kom̅en können! 16.ten Febr. Rittersche Opern, 17. Don Juan, 21. Lohengrin, 23. Entführung (neueinstudirt), 24. Tristan, 25. bis 30.ten Berlin; dann geht Lassen auf einige Tage mit Gießen nach Brüssel u. ich werde wahrscheinlich am 3.ten u. 5.ten für ihn Fidelio dirigiren müssen, dann kom̅t Wasserträger, am 7.ten März das Lisztconcert in Leipzig mit 3 Proben, kurz die ganze Zeit ist recht anständig ausgefüllt. Morgen Wagnerverein: Tristanvortrag (Seidl) u. Duett des 2. Aktes. Wolzogen hat meinen Artikel für die Bayreuther Blätter sehr gelobt, [2v] wird ihn mir etwas kürzen u. die Derbheiten mildern; dann ist er, glaube ich, präsentabel u. wird wohl auch Bronsart nicht zu stark in die Nase fahren.

Ich arbeite fleißig am 2. Akte des Guntram; es geht jetzt auf einmal wieder ganz hübsch vorwärts, aber nur so schubweise. Mit meiner Gesundheit geht es gut.

Die Mozartsche Klavierconcert [?], eben fällt es mir ein, war eine große Hetze u. ein kolossales Gaudium für das Publicum, jeder hatte sein eigenes Tempo, sogar der dirigirende Halir versuchte hie u. da etwas nach seinem Kopfe zu machen; Erfolg kolossal u. der Großherzog war ganz hingerissen. Tausend Grüße an Papa Mama u. Dich

Dein

getreuer Bruder

R.

[diagonal:] Mit Thuille ist’s aber arg!

verantwortlich für die Edition dieses Dokuments: Stefan Schenk

Quellennachweis

  • Original: Bayerische Staatsbibliothek (München), Sammlung: Handschriften, Signatur: Ana 330, I, Strauss, Nr. 242 (Autograph) (Transkriptionsgrundlage)

    • Hände:

      • Richard Strauss (handschriftlich)
    • Autopsie: 2014-11-06

Zitierempfehlung

Richard Strauss Werke. Kritische Ausgabe – Online-Plattform, richard‑strauss‑ausgabe.de/d30448 (Version 2017‑03‑31).

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