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Brief
Richard Strauss an Otto Fürstner / Adolph Fürstner [Musikverlag]
Donnerstag, 25. August 1910, Garmisch-Partenkirchen

relevant für die veröffentlichten Bände: I/4 Elektra

Landhaus Richard Strauss

Lieber Herr Fürstner!

Ich habe am Telefon jedes Wort von Ihnen verstanden, Sie aber nichts von mir, trotzdem ich brüllte, wie der Ochs von Lerchenau. Ihren Brief habe ich heute Früh erhalten. Ich war also Dienstag Früh mit Seebach in München u. habe mit Putlitz conferirt. Auch dieser war der Ansicht, daß kein Bühnenvereinsmitglied jetzt einen Präcedenzfall schaffen dürfe, da sonst die Andern (d’Albert, Pfitzner) auch kämen. Vorher sprach ich mit Speidel, der meinte, auf 5 Jahre wären die Bedingungen allenfalls möglich, aber einen Nachfolger binden könne er auch nicht u. müsse den Bescheid Hülsens abwarten, da Berlin, Dresden, München conform gingen. [Seitenwechsel] Also vorläufig ist ein Nachgeben irgend eines der Herren nicht zu erwarten!

Schließlich hat mir Seebach folgenden Vorschlag gemacht: ich solle auf Roller u. die Garantie im Vertrage verzichten. Seebach will mir dafür einen hochofficiellen Brief schreiben, des Inhalts: ich, Seebach[,] nehme davon Kenntniß, daß Sie[,] Strauss[,] auf die u. die (aufgezählt!) Bedingungen verzichten [i]m Vertrag, gebe Ihnen dafür die Versicherung, daß ich nach Kräften mir die Förderung Ihrer Werke im Repertoir angedeihen lassen will[,] u. verpflichte mich, das Gleiche meinem eventuellen Nachfolger unter genauer Darlegung der Sachlage zu empfehlen.

Auch Roller will Seebach nicht als Bedingung im Vertrag [Seitenwechsel] haben, hat mir aber mündlich die Versicherung gegeben, sie zu nehmen u. Ihnen, ohne daß es im Vertrag steht, nachträglich die 500 M. dafür zu zahlen.

Putlitz u. Seebach bestürmten mich beide, daß ich bei dieser Fassung den Vorteil habe, daß Seebach mir gegenüber moralisch verpflichtet sei, was, wie er behauptet, durch mein jetziges eventuelles Nachgeben ein stärkerer Zwang (?) sei, als der contraktliche, der ihn jederzeit ärgern werde!!!

Sie sagten, »welche Repressiomaßregeln [sic] haben Sie, wenn Seebach den Contrakt doch nicht erfüllt[?«] »Conventionalstrafe?« »Haben Sie was davon, wenn erSeebach die Werke widerwillig eventuell vor leeren Häusern geben muß?« –

»Jetzt aber [?] haben Sie den Brief, den Sie im̅er der Öffentlichkeit übergeben können, wenn Seebach Ihre Werke [Seitenwechsel] ungebührlich u. ungerecht (d. h. bei guten Einnahmen) vernachlässigt!«


Ich leugne nicht, daß dies alles viel plausibles hat. Wie denken Sie darüber?

Nachgeben ist ja hart u. geht mir stark gegen den Strich. Aber schließlich jetzt freiwilliger Rückzug ist doch besser als schließlich nachgeben müssen.

Und was habe ich von dem Kampfe mit dem Bühnenverein oder davon, wenn ich die Sache mit München, Dresden, Berlin so lange hinausschiebe, bis die Angelegenheit zwischen Bühnenverein u. Autoren geregelt ist?

Uraufführung in Hamburg oder Wien (unter Reichenberger??!! recht faul!) u. Verlust der Uraufführung [Seitenwechsel] Landhaus Richard Strauss
Garmisch
in Dresden, die eben doch das einzig Richtige ist; es gibt für [die] Rosencavalier[‑]Uraufführung nur einen Dirigenten: der heißt Schuch.

Der Verlust, den wir beide erleiden, wenn ich die Uraufführung nicht in der denkbar besten Form herausbringe, ist unter Umständen ungeheuer u. vielleicht nie mehr gutzumachen.

Die Situation ist sehr ungünstig geworden. Der Rosencavalier I. u. II. Akt müßen Anfang September verschickt werden, zum Studium[,] wenn das Werk rechtzeitig herauskom̅en soll, bei guter Saison (Dezember). Andrerseits glaube ich wirklich nicht, daß [Seitenwechsel] ich Seebach zum Abschluß bringe, bevor die Bühnenvereinssache geregelt ist.

Er wartet auf einen Brief von mir, worin ich mitteile, daß ich nachgeben werde, um mir dann seinerseits den bewußten »moralischen« Brief zu schreiben.

Oder soll ich nochmals schreiben, daß auch ich bei gegenwärtiger Situation nicht den Präcedenzfall des Nachgebens in einer gerechten Sache schaffen dürfe u. bedaure, nicht einwilligen zu können u. auf die Dresdner Uraufführung verzichten müsse? Ich bin gerne bereit.

Vergessen Sie nicht, zu erwägen, ob ich nicht besser tue, jetzt freiwillig aufzugeben, als eventuell nach einem erbitterten Kampfe gegen den Bühnenverein, wobei ich mir alle wichtigen [Seitenwechsel] Intendanten zu Feinden gemacht habe, besonders wenn sich die Presse hineingemischt hat, nachgeben zu müssen? In Dresden nicht die Uraufführung zu machen, wäre Wahnsinn.

Wie lange haben wir Zeit?

Glauben Sie, daß Dresden doch noch kom̅t, wenn ich auch jetzt ablehne, nachzugeben?!!

Rösch steht natürlich auf demselben Standpunkt wie die Intendanten ihrerseits, ich aber bin mittendrin u. habe schließlich mehr Schaden, als die ganzen Garantiebedingungen wert waren!

Morgen Freitag ist Mottl bei mir!

Wollen Sie’s morgen Freitag telefonisch zwischen 1 u. 2 Uhr nochmals versuchen?

Mit bestem Gruß
Ihr
DRichardStrauss.

verantwortlich für die Edition dieses Dokuments: Sebastian Bolz, Adrian Kech

Quellennachweis

  • Original: Unbekannt (Autograph)

    • Hände:

      • Richard Strauss (handschriftlich)
    • Autopsie: Keine Autopsie des Originals.

    • Reproduktionen:

      • Richard-Strauss-Archiv (Garmisch-Partenkirchen), Signatur: [Richard Strauss an Fürstner Verlag, 1908–1915, Nr. 286] (Transkriptionsgrundlage)

        • Autopsie: 2016-08-04

Zitierempfehlung

Richard Strauss Werke. Kritische Ausgabe – Online-Plattform, richard‑strauss‑ausgabe.de/d21203 (Version 2021‑09‑30).

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