Brief
Richard Strauss an Felix Mottl
Freitag, 13. November 1908, Garmisch-Partenkirchen

relevant für die veröffentlichten Bände: I/4 Elektra
[1r]

Landhaus Richard Strauss

Lieber Mottl!

Nim̅ mir’s nicht übel: aber Dein heutiger Angstschrei hat mir nur ein gewaltiges Lachen erpreßt. Gott, was seid Ihr in München für Hasen …, wollte sagen, Hasenfüße, täglich von einem andern Tenor oder einer anderen Primadonna in’s Bockshorn gejagt. Was sind das für Zustände, wo eine Sängerin wegen einer albernen Bemerkung in einem Käseblättchen eine große Rolle einfach zurückschicken darf. Du darfst nicht böse darüber sein, aber ich versichere Dich, wirklich, wenn man so aus dem großen Berlin kom̅t u. jetzt in Euren Münchner Zeitungen diesen Kleinkindertheatertratsch liest: der »Fall« Knote etc., da faßt einen wirklich so etwas wie Mitleid an u. man denkt sich, [1v] Gott, worüber Alles regen sich diese Leutchen auf! Hab keine Angst, dieser Brief kom̅t nicht in die Münchner Zeitung, ebenso wenig wie in München »Freunde« von mir leben, die das verantwortliche Recht besäßen, für mich u. meine Interessen in einer Zeitung das Wort zu ergreifen.

Aber mich auch noch in diesen Tratsch hineinmischen, kannst Du nicht wirklich nicht verlangen; auch im Interesse von Frl. Fassbender dürfte es nicht liegen, wenn sie sich die Sache reiflich überlegt. Ich kann doch nicht mehr, als die Dame bitten, die Rolle der Elektra zu creiren, wie ich mich von vorneherein (ohne Aufforderung) zu den nötigen Punktirungen bereit erklärt habe. Das Weitere ist meiner Ansicht nach Sache der k. Generalintendanz. Ich will sehr gerne Frl. Fassbender nochmals persönlich meines Vertrauens u. meiner künstlerischen Sÿmpathie [2r] versichern, aber in Zeitungsdebatten habe ich mich nie eingemischt.

[vertikale Anstreichung des Texts bis Seitenende]Nun will ich Dir noch erzählen, daß ich vorgestern einen 8 Seiten langen Brief an Frau Burk-Berger geschrieben habe. Dieselbe hat mir mitgeteilt, daß sie ihre Entlassung einreichen werde, wenn sie nicht die erste Elektra singen werde. Ich habe sie nach Kräften zu beruhigen versucht u. sie gebeten, sich auf die zweite Elektra zu beschränken, da Frl. Fassbender die Creirung der Rolle übertragen sei. Ich kann doch schließlich nicht das Urteil Salomonis in diesem edlen Wettstreit sprechen, ich würde Dich aber bitten, Frau Burk[‑]B. an den Proben der Elektra gleichmäßig zu beteiligen u. ihr auf alle Fälle die zweite Vorstellung unter Deiner Leitung singen zu lassen. Ich hoffe, daß sie sich damit zufrieden geben wird, da diese Form des Alternirens [2v] auch nicht so kränkend ist, als wenn sie später als ausgesprochen zweite Garnitur erst unter Röhr zum Auftreten kom̅t. Du siehst, die Sache ist nicht so einfach. Die schwere, anstrengende Rolle doppelt zu besetzen, erscheint mir schon, um […]zu große Anstrengungen bei fortlaufenden Proben zu verhindern, notwendig.

Ich alternire in gleicher Weise in Berlin mit Blech, der mir das Vorstudium der Elektra abnim̅t, bei den letzten Proben gleichmäßig mit mir alternirt u. die zweite Vorstellung dirigirt.

[…]
verantwortlich für die Edition dieses Dokuments: Sebastian Bolz, Adrian Kech

Quellennachweis

  • Original: Bayerische Staatsbibliothek (München), Signatur: Ana 452.B. Strauss, Richard (Autograph) (Transkriptionsgrundlage)

    • Hände:

      • Richard Strauss (handschriftlich)
      • unbekannt (handschriftlich)
      • unbekannt (handschriftlich)
    • Autopsie: Keine Autopsie des Originals.

Zitierempfehlung

Richard Strauss Werke. Kritische Ausgabe – Online-Plattform, richard‑strauss‑ausgabe.de/d20144 (Version 2021‑09‑30).

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