Brief
Richard Strauss an Erich Engel
Mittwoch, 15. Mai 1929, Brijuni (Istrien)

relevant für die veröffentlichten Bände: I/3b Salome (Weitere Fassungen)
[1r]

Hotel Brioni
BRIONI ISTRIA

Mein lieber Schutz-Engel!

Ihr freundlicher Brief hat sich mit meiner Epistel an Freund Busch gekreuzt! Ich bin begeistert, daß auch er für Salome – Rajdl stim̅t! Wenn unten Busch u. die Dresdner Kapelle sitzt, muß Rajdl eine ideale Salome werden – ein Ereigniß – eine Sensation! Dazu eine schöne Neuausstattung! Bravissimo!

Natürlich bin ich für Rajdl mit jedem Strich einverstanden, auch Orchesterretouchen sind nötig! Wenn Busch und Sie oder Einer von Euch Beiden zwischen 1. u. 12. Juni mit der Salomepartitur zu mir nach Berlin (W, Rauchstr. 16)1 käme, möchte ich die Retouchen gleich selbst vornehmen. [1v] Natürlich wird Rajdl (ebenso wie sie ein ausgezeichneter Ariadne-Componist ist) auch ein sehr reizender Rosencavalier werden.* Doch eilt dies nicht so sehr wie Salome, da auch Frl. Stünzner noch im̅er ein guter Octavian ist. Mit Frl. Seinemeyer: Ariadne u. Kaiserin selbstverständlich außerordentlich einverstanden. Sie soll nur endlich mal damit auch Ernst machen!

Ariadne in erster Fassung u. im Schauspielhaus gar nicht einverstanden, nachdem schon die Intermezzoaufführungen daselbst anscheinend im̅er lokalen Schwierigkeiten begegnen.

Wenn Sie einen sehr guten Komiker haben, der allein ein ganzes Stück tragen kann, das wie der [2r] Bürger a. E. eigentlich kein Stück, sondern nur eine prachtvolle Star-Rolle ist, so empfehle ich fürs Schauspielhaus den neu bearbeiteten Bourgeois gentilh. als Schauspiel mit meiner Musik.

Und die neue Ariadne mit dem doch sehr guten Vorspiel im großen Haus; aber vielleicht auch mal mit neuen Dekorationen; empfehle hier wärmstens die wundervolle Ausstattung, die Strnad für Frankfurt a. M. angefertigt hat.

Zerbinetta prima gibt es bisher nur Ivogün und Kern (allenfalls noch Gerhart). Empfehle für eine Reihe von Vorstellungen das ausgezeichnete Frl. Kern zu verpflichten, die das bequem mit Wien verbinden kann u. noch billiger als Frau Ivogün.Das lohnte schon!

[2v] Mein Katarrh ist geschwunden, am 23.ten bin ich auf ein Paar Tage in Venedig!

Mit herzlichem Gruß u. Dank
Ihr aufrichtig ergebener
DRichardStrauss.

*[Bl. 1v:] [am oberen Rand des Briefes:] [kopfstehend:] aber viel wichtiger wäre Rajdl Christine u. zwar im großen Hause! [Originalanmerkung].
1Vermutlich plante Strauss bei Lili Deutsch, Ehefrau des 1928 verstorbenen Felix Deutsch, zu wohnen, die an dieser Adresse ansäßig war.
verantwortlich für die Edition dieses Dokuments: Claudia Heine

Quellennachweis

  • Original: Münchner Stadtbibliothek (München), Sammlung: Monacensia, Signatur: Strauss, Richard A III/Konv. 2 (Autograph) (Transkriptionsgrundlage)

    • Hände:

      • Richard Strauss (handschriftlich)
    • Autopsie: 2015-10-20

    • Reproduktionen:

      • Richard-Strauss-Archiv (Garmisch-Partenkirchen), ohne Signatur

        • Autopsie: 2015-10-13

Bibliographie (Auswahl)

  • Edition in Franz Grasberger (Hrsg.) / Franz Strauss (Mitarb.) / Alice Strauss (Mitarb.): Der Strom der Töne trug mich fort: Die Welt um Richard Strauss in Briefen, Tutzing, 1967, S. 325–326.
  • Genannt/Verzeichnet in Günter Brosche (Hrsg.) / Karl Dachs (Hrsg.): Richard Strauss: Autographen in München und Wien. Verzeichnis (= Veröffentlichungen der Richard-Strauss-Gesellschaft, Bd. 3), Tutzing, 1979, S. 224. Unter der Signatur: »A III/Konvolut Strauss an Engel, Nr. 6« verzeichnet.

Zitierempfehlung

Richard Strauss Werke. Kritische Ausgabe – Online-Plattform, richard‑strauss‑ausgabe.de/d09497 (Version 2021‑09‑29).

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