[1r] Grand Hôtel
de Rome u. du Nord
[…]
Unter den Linden 39.
[Gustav Mahler:] Mein Almschl! Gestern also in Salome! Mein Eindruck hat sich im̅er noch verstärkt, und ich bin fest durchdrungen davon, daß das eines der größten Meisterwerke unserer Zeit ist… – Ich kan̅ es mir nicht zusam̅enreimen und nur ahnen, daß […] aus dem In̅eren des Genies die Stim̅e des »Erdgeistes« tönt, der sich eben seine Wohnungen nicht nach menschlichem Geschmack sondern nach seinen unergründlichen Bedürfnißen baut. Vielleicht lehrt mich die Zeit dieses »Gehäuse« noch besser verstehen.
Übrigens traf ich Strauss vor der Vorstellung im Opernhause – der war wieder (allein) sehr lieb und bestand darauf nachher mit mir zusam̅en zu sein. Wir trafen uns[;] er, seine Frau und [?] Schwiegermutter – ich mit Berliner in einem Restaurant [1v] und sprachen sehr lieb und eingehend über Alles. Es war durchaus erfreulich bis auf die tempera[me]ntvolle[n] Intermezzis[,] die das ewig Weibliche lieferte. Sie war jedoch gut gelaunt und stand mit mir auf dem »Gustav«-Standpunkte. – Heute früh kam wieder Hauptman̅ herunter. (er wohnt im selben Hotel). Um 6 gehen wir zusam̅en zu Leistikow und nachher um 8 Uhr zum »Friedensfest.« Um 12 Uhr (in einer Stunde) begin̅t die öffentliche Generalprobe.
Mir kom̅t meine III[. Sinfonie] wie eine Haydnsche Symphonie vor. Dafür werden wahrscheinlich die Leute mich als Irrsin̅igen betrachten. Ich […]denke ziemlich wurschtig über die ganze Geschichte.
Beiliegenden Brief bekam ich von der Koenen. – […] In meinem Schreck sagte ich nun dem Meschaert für Wien auch ab. Den̅ wohin käme ich da, wen̅ ich nun alle Sänger in ihren Concerten begleiten wollte.
[2r] Tausend Grüße! Was machen die Kleinen?
Dein
Gustl.