Lieber Freund!

Herzlichen Dank für hilfreiche u. so unendlich traurige Nachricht aus dem armen Berlin. Aber all das macht mir das Herz immer schwerer! »Spottgedichte« der Pfitznergemeinde! Natürlich wenn die Wiener Gutmütigkeit so weit geht, daß der »unmittelbare Nachfolger von Beethoven« (sic), dafür, daß er öffentlich im Rathaus auf die Wiener Oper schimpft, mit einer Neueinstudierung belohnt wird, braucht man sich nicht zu wundern, wenn die Bande immer frecher wird.

Aber wenn ich nicht so viel andere Gründe hätte, nach Wien u. zu Ihren schönen Aufführungen zu kommen, – um dem großen Romantiker den Platz vor dem Wiener Vorhang streitig zu machen, dafür verfahre ich kein Benzin. Aber vorläufig kann ich wirklich nicht kommen – außer den schon bekannten Gründen kämpfe ich gegen die Münchner Gauleitung um mein von Einquartierung bedrohtes Haus u. ich fürchte, ich werde nicht siegen! Wäre ich nur ganz in Wien geblieben, wo der gute Herr von Schirach mir zugesichert hatte, daß ich niemals »besetzt« würde. Sie können sich unsre Aufregung denken! Ein direktes Bittgesuch an den Führer selbst ist seit 3 Wochen bis jetzt unbeantwortet geblieben!

Weihen Sie mir eine Condolenzträne u. seien Sie mit der lieben Gattin herzlich gegrüßt
von Ihrem getreuen
Dr. Richard Strauss

Bitte lassen Sie mir durch Bauer die Wiener Striche von Elektra mitteilen, oder am besten gleich direkt an Kammersängerin Paula Kapper Staatsoper Stuttgart schicken, ich habe hier keinen Klavierauszug!

Wie stehts mit Capriccio? Schrecklich, hier zu sitzen!