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Lieber Freund!
Tod und Verklärung ist reines Fantasieprodukt – kein Erlebnis liegt ihm zu Grunde (krank wurde ich erst zwei Jahre danach). Ein Einfall wie ein anderer, wahrscheinlich letzten Endes das musikantische Bedürfnis, nach Macbeth (beginnt und schließt in d moll) [und] Don Juan (beginnt in E dur und schließt in e moll) ein Stück zu schreiben, das in c moll anfängt und C dur aufhört! Qui le sa[it]!
Jedenfalls freue ich mich, von Ihnen wieder einmal ein angenehmes Lebenszeichen erhalten zu haben und melde, daß es auch mir diesen Winter mit der Gesundheit recht ordentlich geht, daß ich ein paar recht anständige Conzerte (mit rein klassischem Programm, wozu ich auch Liszts Faustsinfonie rechne) hier dirigiert habe. Bei dieser Gelegenheit hat Liszt seit 80 Jahren (ich glaube) die erste gute Kritik in der N[euen] freien Presse bekommen. Sonst hatte ich noch recht gelungene Aufführungen von Intermezzo, Ariadne und Elektra zu verzeichnen, am 24. Februar kommt neu einstudiert und in neuer Ausstattung die Frau ohne Schatten unter Clemens Krauss, der überhaupt seine Sache hier vortrefflich macht1 – und im März der Idomeneo. Führt Sie Ihr Weg gar nicht einmal mehr nach Wien?
Bitte grüßen Sie meine Mannheimer Freunde und seien Sie selbst mit Ihrer verehrten Gattin schönstens begrüßt von Ihrem
stets aufrichtig ergebenen
Dr. Richard Strauss.
1 | Clemens Krauss ( 1893–1954) war 1929–1934 Direktor der Wiener Staatsoper. [Anmerkung in der Transkriptionsgrundlage] |