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Brief
Franz Strauss (sen.) / Josepha Strauss an Richard Strauss
Samstag, 26. April 1902

relevant für die veröffentlichten Bände: I/3a Salome

Lieber Richard!

Deinen lieben Brief, der uns bewies, daß Deine Augenentzündung glücklich vorübergegangen ist, erhielten wir hier, da wir erst später als beabsichtigt von München abreisten, woran wir sehr wohl taten, denn wir haben dadurch das herrlichste Wetter abgewartet, das uns seit acht Tagen zuteil wurde. Erst heute haben wir den ersehnten Regen, der Menschen und Pflanzen erquickt. Die Landschaft ist in wunderbarer Pracht. Alles erfreut sich an der üppigen und blühenden Schönheit der göttlichen Natur. Auch sind wir mit unserm hiesigen Aufenthalt, was Verpflegung anbelangt, sehr zufrieden. Die Frühlingsgartenwirtschaft hier ist, nach allen Seiten hin, eine vortreffliche, die uns den Aufenthalt sehr angenehm macht; wir werden wahrscheinlich noch 14 Tage hier bleiben. Herzlich bedauern wir, daß Du im Theater so angestrengt bist. Ich habe geglaubt, Muck hätte den »Ring« zu dirigieren.

Sehr erfreut waren wir über Deine Nachricht, welche Du von Mahler über »Feuersnot« erhieltest. Möge Dir das Glück noch weiter zur Seite stehen.

Schuch scheint sich Deiner Oper in Dresden ehrlich anzunehmen, da, wie Du schreibst, schon die 10. Aufführung zustande kam.

Viel Glück zur Bremer Aufführung! Es wird sich somit eine Weiterverbreitung des Werkes ergeben.

Bei einer etwaigen Münchenaufführung darfst Du Dich jedenfalls auf eine gehässige Merzsche Kritik gefaßt machen, da der Bursche es nicht lassen kann, Dich bei jeder Gelegenheit anzugreifen.

Sehr erstaunt war ich über Deine Nachricht, daß Du Dich mit neuen Kompositionen beschäftigst! Übereile nichts, denn man muß nicht wollen, sondern man muß müssen. Die Fantasie läßt sich nicht befehlen. Man kann zwar (wie Rheinberger) zu jeder Stunde komponieren, aber mit kunstgerechter Zusammenfügung der Noten schafft man noch kein Kunstwerk, welches den Namen eines poetischen Werkes verdient, und ohne poetischen Inhalt gibt es kein lebensfähiges Werk.

Wer oder was ist denn Herr Anton Lindner in Wien, der Dir einen Operntext schreiben will? Ich hoffe und bitte, daß Du alle Angriffe und Laszivitäten vermeiden wirst, die bisher Deinen Werken großen Eintrag getan haben, und womit Du Deinen Feinden die Waffen in die Hand lieferst.

Die »Wiener Skizzen« von Ed. Pötzl hat die Mama für dich bestellt, welche ich in einigen Tagen erhalten werde, worauf ich mich freue, denn der Wiener Witz hat etwas Präzises, was ich dem norddeutschen schnodderigen Witz gegenüber vorziehe.

Lebt wohl! Auf glückliches Wiedersehen! Seid alle herzlichst gegrüßt von Mama und mir.

Hat Bubi meine Karte erhalten? Küßt ihn statt mir und seid herzlich gegrüßt
von Maman [sic]

verantwortlich für die Edition dieses Dokuments: Claudia Heine

Quellennachweis

  • Original: [unbekannt]

    • Hände:

      • Josephine Strauß
      • Franz Strauß
    • Autopsie: Keine Autopsie des Originals.

Bibliographie (Auswahl)

  • Edition in Franz Grasberger (Hrsg.) / Franz Strauss (Mitarb.) / Alice Strauss (Mitarb.): Der Strom der Töne trug mich fort: Die Welt um Richard Strauss in Briefen, Tutzing, 1967, S. 140–141. (Transkriptionsgrundlage)

Zitierempfehlung

Richard Strauss Werke. Kritische Ausgabe – Online-Plattform, richard‑strauss‑ausgabe.de/d04375 (Version 2019‑04‑12).

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