Brief
Richard Strauss an Ernst von Schuch
Sonntag, 8. Dezember 1907, Berlin

relevant für die veröffentlichten Bände: I/4 Elektra
[1r]

Hochverehrtester Freund u. liebenswerter Jubeljüngling!

Ich war fast einen Monat auf Reisen in Holland u. Wien u. erfahre erst nachträglich aus einer Musikzeitung, daß Sie während meiner Abwesenheit meuchlings Ihren 60. Geburtstag gefeiert haben. Muß auch jeder, der Sie kennt u. bewundert, glauben, daß Sie sich 20 Jahre hinzugedichtet haben: in der Zeitung hat gestanden 60 u. so darf man nicht zweifeln. Ist es mir schon schmerzlich, daß ich unter den Gratulanten zum Feste selbst fehlte, so bitte ich Sie doch um die Erlaubniß, Ihnen wenigstens nachträglich einen herzlichen Glückwunsch senden zu dürfen, der in der Hoffnung gipfelt, daß uns Ihre Kunst, Tatkraft u. Sÿmpathie noch recht lange erhalten bleiben möge u. daß Sie Ihres schönen Amtes als getreuer Bannerträger der jungdeutschen Musik noch oft in ungetrübter Frische walten möchten. –

Ich bin fleißig an Elektra (50 Seiten Partitur sind schon geschrieben) u. ich hoffe bestim̅t[,] bis heute über’s Jahr fertig zu sein[,] u. so ist der schöne Tag nicht mehr allzufern, wo ich bei der Dresdner Uraufführung (daß ich Ihnen treu bleibe, darauf können Sie fest rechnen trotz aller klingenden Versuchungen) von Neuem meiner [1v] Bewunderung für Sie die Zügel schießen lassen kann.

Wann kom̅en Sie denn mal zu mir, sich was anzuhören: ich bleibe jetzt bis Ende Januar fest in Berlin!

Ihr Schwiegertöchterlein hat mir einen Operntext zugeschickt, in dem viel Talent steckt, das leider noch nicht so ausgereift ist, [daß] jetzt schon etwas ganz Brauchbares heraus[ge]kom̅en ist: aber was nicht ist, kann da noch werden. Bitte grüßen Sie die liebenswürdige Verfasserin schönstens von mir u. seien Sie so gut, das Buch ihr wieder zuzustellen. –

Hoffentlich auf baldiges Wiedersehen!

Mit herzlichsten Grüßen von Haus zu Haus
Ihr treu ergebener
DRichardStrauss.

Wann haben Sie denn die 50. Salome?

Wenn irgend möglich, kom̅e ich dazu hinüber. Daß Sie Feuersnot mal wieder aus dem Kasten holen, darauf darf ich wohl nicht mehr hoffen?

verantwortlich für die Edition dieses Dokuments: Adrian Kech, Sebastian Bolz

Quellennachweis

  • Original: Bayerische Staatsbibliothek (München), Signatur: Ana 330.I. Schuch, Ernst von, Nr. 19 (Autograph) (Transkriptionsgrundlage)

    • Hände:

      • Richard Strauss (handschriftlich)
    • Autopsie: 2017-12-22

Bibliographie (Auswahl)

  • Edition in Gabriella Hanke Knaus (Hrsg.), Richard Strauss – Ernst von Schuch: Ein Briefwechsel (= Veröffentlichungen der Richard-Strauss-Gesellschaft, Bd. 16), Berlin, 1999, S. 114–115.

Zitierempfehlung

Richard Strauss Werke. Kritische Ausgabe – Online-Plattform, richard‑strauss‑ausgabe.de/d04100 (Version 2021‑09‑30).

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