Brief
Richard Strauss an Pauline Strauss
Donnerstag, 17. Mai 1906, Graz

relevant für die veröffentlichten Bände: I/3a Salome

HÔTEL
ELEFANT
HAUS-I.-RANGES
GRAZ

BESITZER: F. JAUTZ & W. NOWAK

Mein geliebtes P!

Soeben 1 Uhr sind Mahler u. Frau abgereist, lassen Dich herzlich grüßen, der italienische Componist Puccini war eigens auch aus Pest gekom̅en, viele […]junge Leute aus Wien, deren einziges Handgepäck ein Klavierauszug war, – es regnet u. ich sitze auf der Gartenterrasse des Hotels, um Dir zu berichten, daß Salome sehr gut gegangen, ein Riesenerfolg, die Leute applaudiert[en] – noch 10 Minuten, nachdem der eiserne Vorhang gefallen war etc. etc.

Vorher war ich so kalt wie im̅er, im Verlaufe des Abends hat mich das Ding doch wieder aufgeregt, so daß ich, trotzdem ich gestern körperlich gar nicht müde war u. schon um ½ 1 Uhr zu Bette ging, erst um 11 Uhr Früh, so etwas zerprügelt aufwachte.

[Seitenwechsel] Deine liebe Karte soeben erhalten, freue mich aus ihr zu ersehen, daß Du jetzt anscheinend etwas zur Ruhe kom̅st, thue nur nicht zu viel des Guten u. paße recht auf Bubis Ohren auf! Es ist ein ewig [?] unangenehmes Gefühl, wenn man so fern seinen Lieben ist, alle akuten Nachrichten erst 2 Tage zu spät bekom̅t und auf unvollkom̅ene schriftliche Botschaften angewiesen ist. Je älter ich werde, desto fataler wird mir das – ich trage mich bereits ernstlich mit dem Gedanken, nächstes Jahr nicht nach Amerika zu gehen – so 2 Monate fern von Euch, alle Briefe 14 Tage unterwegs – eigentlich ein schrecklicher Gedanke. Na, wir wollens noch besprechen!

Ich freue mich riesig, Euch am 23. Mai wiederzusehen. Ich schicke Dir heute Zeitungen, aus denen Du nach Belieben Alles wichtige, die Aufführung betreffende ersehen kannst. Die Bellincioni war auch im Theater, hochentzückt, die Wittwe [sic] Johann Strauss ist eigens aus Wien gekom̅en. –

Heute Nachmittag bekom̅e ich wieder ein feines Automobil geschickt:
[Wappen] PAPIERHANDLUNG
FRANZ PLENTL SÖHNE, GRAZ, HERRENGASSE 5
BUCHDRUCKEREI [Zeichen] PRÄGEANSTALT.

[Seitenwechsel] Umgebung u. Natur sind herrlich. Alle Kastanien u. Obstbäume in voller Blüte, die schönen Berge, die reißenden Gebirgswasser, hab nur frohen Mut, in 14 Tagen bist Du auch im Gebirge.

Bubi bringe ich, wenn er in der Schule recht brav ist u. in den Pausen sich nicht erhitzt u. herumrennt, schöne österreichische Bleisoldaten u. noch was hübsches mit [?]1. Aber nur, wenn er ganz gesund ist u. sich nicht wieder verdorben hat durch Unfolgsamkeit. – Jetzt will ich essen – : viel Sauce[,] in der Mitte ein alter Handschuh u. recht patzige Mehlspeisen. – Die Damenmoden in Graz sind auch glänzend – Blusen[,] nichts als Blusen in den herrlichsten Façons [(]beinahe wie in London!) – u. die Hüte! (Da würdest Du Dich doch wieder nach Paris sehnen!) – leb wohl, mein liebes, liebes P. Es grüßt u. küßt Dich u. Bubi innigst
Dein treuer
Richard.

1Text in Transkriptionsgrundlage verwischt.
verantwortlich für die Edition dieses Dokuments: Claudia Heine

Quellennachweis

  • Original: [unbekannt] (Autograph)

    • Hände:

      • Richard Strauss (handschriftlich)
    • Autopsie: Keine Autopsie des Originals.

    • Reproduktionen:

      • Richard-Strauss-Archiv (Garmisch-Partenkirchen), Signatur: [FAMILIENBRIEFE IV, 1906–1910, Nr. 202] (Transkriptionsgrundlage)

        • Autopsie: 2017-09-12

Bibliographie (Auswahl)

  • Edition in Franz Grasberger (Hrsg.) / Franz Strauss (Mitarb.) / Alice Strauss (Mitarb.): Der Strom der Töne trug mich fort: Die Welt um Richard Strauss in Briefen, Tutzing, 1967, S. 169–170.

Zitierempfehlung

Richard Strauss Werke. Kritische Ausgabe – Online-Plattform, richard‑strauss‑ausgabe.de/d03957 (Version 2019‑05‑27).

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