[1r] [Signet mit zwei Wappen und Krone]
HOTEL MONOPOL, BRESLAU
DIREKTOR H. STEGMANN
HOFTRAITEUR
Lieber verehrter Freund!
Sie fragen mich nach demmeinem Eindruck von der heutigen Salomevorstellung am Breslauer Stadttheater. Es gereicht mir zur besonderen Freude, zu bekennen, daß, wenn ich mit geringen Hoffnungen hiehergekom̅en bin, ob das anspruchsvolle Werk in kleineren Bühnen- u. Orchesterverhältnissen überhaupt möglich sei, ich durch Dr Löwes u. seines ausgezeichneten Kapellmeisters Prüwer Tatkraft eines Besseren belehrt worden bin. Die heutige Aufführung war ganz vortrefflich, dank der Aufopferung u. künstlerischen Leistungsfähigkeit des wenn auch kleinen, so doch eminent geschulten Orchesters, dank der intelligenten Regie u. eines darstellenden Personals, obenan [?] die ausgezeichnete Salome der Frau Verhunk, die alle meine Erwartungen weit übertroffen haben u. hohen künstlerischen Ansprüchen voll zu genügen im Stande sind. War ich nach der Dresdner Aufführung noch im Zweifel, ob die Aufführungsmöglichkeit der Salome nicht nur auf [1v] ein Paar [sic] der größten Hofbühnen beschränkt bleiben würde, so darf ich mich heute der frohen Hoffnung hingeben, daß Salome auch auf kleinen Bühnen eine meinen Intentionen gerecht werdende Wiedergabe erleben kann, voraus gesetzt, daß sie mit solchem künstlerischen Ernst angepackt u. mit solchem Fleiße vorbereitet wird, wie wir es heute erlebt haben. Es ist mir eine Genugthuung, Herrn Dr Löwe u. seiner vortrefflichen Künstlerschaar hiefür [sic] auf diesem Wege meinen wärmsten u. aufrichtigsten Dank auszusprechen.
DRichardStrauss.