[1r]
Joachimsthalerstr. 17.
Lieber Schuch!
Indem ich Ihnen mit meiner Frau nochmals für den herrlichen Genuß danke, den Sie uns durch die vollendete Sonntags-Salome bereitet haben, möchte ich Ihnen heut folgenden Vorschlag unterbreiten: da Graf Seebach im August während der Bayreuther Festspiele Salome geben will, wird er, ich kenne Frau Wagner zu gut, die grössten Schwierigkeiten haben, Frau Wittich von dort loszueisen. Sie müssen, um sich sicher zu stellen, unbedingt (die Idee meiner Frau!)1 aus eigenem Personal eine zweite Salome haben, die auch in Cöln singen kann. Ich habe s. Z. [seinerzeit] bei der Salomebesetzung die vortreffliche Frau Krull ganz ausgeschaltet, da ich damit rechnete, daß bald Feuersnot zur Salome gegeben werden müsse, u. Frau Krull beide Rollen an einem Abend nicht leisten kann. Nunmehr scheint es sicher, daß Salome stets allein wird gegeben werden u. nun würde ich Sie dringend bitten, mit Frau Krull sofort die Salome zu studiren u. sie baldigst [1v] auftreten zu lassen. Vielleicht kom̅t Frau Krull vorher mal hieher, um mir die Rolle vorzusingen u. sich etwa die Aufführung im Neuen Theater mit Frau Eysoldt der Darstellung wegen anzusehen. Frau Krull hat die besten stim̅lichen Qualitäten (außer Frau Wittich) für die Rolle u. Frau Wagner wird, wenn sie die Wittich erst in den Klauen hat, Alles thun um die arglose gegen Salome zu verhetzen. Damit wären zugleich die Hauptschwierigkeiten für Cöln behoben u. das Werk könnte dort in einer Dresdner Besetzung vom Stapel gehen.
Moloch liegt leider bei Exc. von Hülsen; Sie müssen sich schon direkt von Schillings ein Exemplar verschreiben.
Was wird aus meinem kleinen Naumann?
Mit herzlichsten Grüssen auch von meiner Frau
Ihr
treu ergebener
Bewunderer
RichardStrauss.
1 | Rechts des Brieftexts, von »umlaufend« bis einschließlich »Festspiele« vertikal nach oben verlaufend. |