[1r] In Eile!
Lieber hochverehrter Freund!
So ist es nun also glücklich gekom̅en, wir ich befürchtete. Verleger, Stecher u. ich haben uns den ganzen Som̅er abgezappelt, um Ihnen bis 1. September die Klavierauszüge zu liefern. Die »große« Frau Wittich läßt das Schundzeug 5 Wochen liegen u. kann’s dann schließlich nicht schaffen. Ich habe also das Meinige getan: Sie dürfen mir also nicht böse sein, wenn ich Ihnen unter diesen Umständen die Uraufführung nicht mehr garantiren kann. In Leipzig studirt Nikisch bereits feste dran, Mahler teilte mir heute mit, daß er das Werk endlich bei der Censur durchgedrückt habe u. geht nun sofort mit Feuereifer an die Arbeit, läßt die Salome in 4 facher [1v] Besetzung studiren; wenn er Ihnen nunmehr zuvorkom̅t, kann ich nichts dafür. Wie ich Ihnen schon depeschirte, will ich Ihnen bis spätestens 9. Dezember die Uraufführung reserviren, können Sie’s dann nicht herausbringen, dann mag es bringen, wer zuerst fertig wird.
Ich reise am 11. Dezember nach Russland, von wo ich erst am 5. Januar wieder zurückkom̅e.
Frau Wittich scheint die Sache überhaupt keinen Spaß zu machen. Wenn Sie dazwischen noch große Gastspiele absolvirt u. sich nicht vollständig auf Salome concentrirt, kann nichts gescheites herauskom̅en. Ich bitte um umgehende Drahtantwort über den [sic] endgiltigen Datum der Première. Hoffentlich sind Sie mir [nicht] böse: aber wenn Sie Ihre verfluchten [2r] Primadonnen nicht besser im Zaum haben, dürfen Sie’s mir nicht entgelten lassen.
Mit herzlichsten Grüßen
Ihr altergebner
DRichardStrauss.
Daß die Partie der Salome in 4 Wochen nicht zu erlernen ist, habe ich Ihnen vor 3/4 Jahren gesagt. Nun haben wir die Bescherung!