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Brief
Richard Strauss an Pauline Strauss
Sonntag, 18. September 1904, Marquartstein

relevant für die veröffentlichten Bände: I/3a Salome
[1r]

Marquartstein, Oberbayern.
VILLA DE AHNA.

Mein liebes, liebes Pauxerl!

Zwar noch ohne Nachricht von Dir, hoffe ich doch gerade deßhalb, daß Ihr gut angekom̅en seid u. Euch wohl befindet. Ich wünsche herzlich, daß Du nicht allzuviel Arbeit in der Wohnung vorfindest u. Dich nicht zu sehr plagen mußt, während ich noch dem holden Müßiggang fröhne. Es ist doch recht einsam ohne Dich u. Bubi u. fast mit Wehmut renne ich ohne Dich in der schönen Gegend herum, die bei sehr kaltem Wetter heute in prachtvollster Oktobersonne strahlte. Nach dem ersten angenehmen Moment der Stille, in der man noch ungestörter seiner Arbeit u. seinen Gedanken leben zu können glaubt, kom̅t mir doch allzuschnell wieder der Wunsch, seine lieben Plagegeister um sich versam̅elt zu haben, bei deren Treiben sich schließlich doch auch recht gut arbeiten läßt. So bedauere ich denn [1v] doppelt, daß Du morgen nicht dabei bist, wo ich mit Exters die Stripsenjochpartie nun doch noch verabredet habe, für die wir uns schönes Wetter erhoffen, von der ich Dir Schönes zu erzählen wünsche u. […]die ich in Jahr u. Tag doppelt genießen werde, wenn ich sie an Deiner Seite wiederhole.

Dir wird vielleicht diese meine Stim̅ung etwas komisch vorkom̅en; der trockne Arbeitsphilister wirkt plötzlich gar empfindsam, denkst Du Dir. Aber ich kom̅e gerade von der Lektüre der Wahlverwand[t]schaften von Göthe [sic] u. ein so herrliches, edles Buch weckt [?] Alles Gute, was man in sich hat, an die Oberfläche u. man freut sich, wieder ei[n]mal zu bekennen, was sonst nur zu fühlen Einem liebe Gewohnheit geworden ist.

So nim̅ die Paar Zeilen für heute nur als Zeichen, daß ich Deiner u. meines geliebten Bubi in treuer Liebe gedenke u. [2r] glücklich bin, wenn ich in meinem schönen Heim wieder mit Euch vereinigt bin.

Ich widme diese 8 Tage nun ausschließlich meiner Gesundheit, laufe so viel als möglich in der frischen Luft herum, um recht gekräftigt u. gestärkt ein[em] arbeitsreichen Winter entgegenzugehen, in dem ich doch noch so viel Zeit übrig zu behalten hoffe, daß auch Dein Vergnügen u. Unterhaltungsbedürfniß nicht leer ausgehen u. das langweilige Berlin Dir nicht allzu trostlos sein wird. –

Exter wird ziemlich bestim̅t Mitte Oktober uns besuchen. Auch der Stotterer aus Staudach wird nicht fehlen.

Die Eltern sind wohl u. vermissen doch ein wenig die Lebhaftigkeit, die Ihr, besonders Bubi, ins alte Haus bringt; sie sind sehr freundlich, u. aufmerksam gegen mich, was allerdings mein Bedauern, von diesem schönen Aufenthalt für so lange Zeit scheiden zu müssen, nicht verringert. So lebt wohl für heute! Laß bald was Gutes von [2v] Dir hören u. sei mit Bubi auf’s innigste umarmt u. geküßt von
Deinem
Richard.

Meine Reinschrift der Salome ist auch schon fertig, fehlen nur noch die letzten Schlußtakte, zu denen ich mir Zeit lasse, damit sie recht gut werden.

Die Eltern grüßen bestens.

verantwortlich für die Edition dieses Dokuments: Claudia Heine

Quellennachweis

  • Original: [unbekannt] (Autograph)

    • Hände:

      • Richard Strauss (handschriftlich)
    • Autopsie: Keine Autopsie des Originals.

    • Reproduktionen:

      • Richard-Strauss-Archiv (Garmisch-Partenkirchen), Signatur: [FAMILIENBRIEFE III, 1902–1905, Nr. 173] (Transkriptionsgrundlage)

        • Autopsie: 2016-11-15

Bibliographie (Auswahl)

  • Faksimile in Franz Grasberger (Hrsg.) / Franz Strauss (Mitarb.) / Alice Strauss (Mitarb.): Der Strom der Töne trug mich fort: Die Welt um Richard Strauss in Briefen, Tutzing, 1967, S. 144a–144d.
  • Edition in Franz Grasberger (Hrsg.) / Franz Strauss (Mitarb.) / Alice Strauss (Mitarb.): Der Strom der Töne trug mich fort: Die Welt um Richard Strauss in Briefen, Tutzing, 1967, S. 154–155.

Zitierempfehlung

Richard Strauss Werke. Kritische Ausgabe – Online-Plattform, richard‑strauss‑ausgabe.de/d03776 (Version 2019‑04‑12).

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