Brief
Richard Strauss an Franz Strauß / Josephine Strauß
Montag, 1. Juni 1903, London

relevant für die veröffentlichten Bände: III/3 Aus Italien, III/4 Macbeth, III/5 Don Juan

[1r]

Liebe Eltern!

Wir sind heute Früh 8.05 pünktlich in London eingetroffen. Bei strahlendem Wetter war die gestrige Pfingstreise sehr warm, dafür aber die Überfahrt natürlich tadellos. Bubi in einer Begeisterung über Schiff u. Meer, munter auf der ganzen Reise. Leider ist seine Wißbegierde so groß, daß er auf der Reise nicht zuschlafen zu bringen ist. Hier bewohnen wir nun, da das Ehepaar Speyer im Seebad ist (Frau Speyer erwartet in kürzester Zeit Nachwuchs) allein 2 herrliche Häuser mit Garten, haben 4 Kam̅erdiener, Jungfern, Pferde, elektrisches Cab, alles zu unsrer außschließlichen Verfügung u. leben wie die Fürsten, ohne geselligen Zwang noch dazu im Genusse all dieser Herrlichkeiten.

[1v] London ist heute total ausgestorben. Pauline schläft, Bubi ebenfalls. Nach dem Dejeuner fahren wir dann im Hydepark spaziren. Mit uns ist das liebenswürdige Ehepaar Tschirch (der Kritiker) übergefahren, dieselben wollen unser Concert hören u. dann mit uns nach Wight!

Das Wetter ist auch hier herrlich, aber gemäßigter, nicht so heiß wie auf dem Continent.

Mittwoch Früh geht die erste Probe los, Abends I. Concert. Wir haben jetzt etwas Ruhe nötig, denn der letzten Tage Qual war groß. Für 4 Monate einpacken u. die Wohnung zum Umzug fertig richten, ich jeden Abend dazu dirigiren, das war etwas reichlich. Desto besser werden uns die Fluten des Canals laben u. die englischen Beefsteaks

[2r] schmecken.

Wann geht ihr aufs Land?

Wir freuen uns stets zu hören, daß es Euch unverrückt gut geht, ich bin von Herzen froh, daß Papa seine Bronchitis so gut überstanden hat. Er soll nur nicht im̅er gleich so den Kopf hängen lassen! Bei dem schönen warmen Wetter wird er sich schnell dann wieder erholen!

Für heute lebt wohl! Hier grüßen Euch alle sehr herzlich!

Euer

Richard.

Bemerkung

In der Edition von Schuh heißt es zu diesem Brief: »Die Londoner Strauss-Konzerte vom 3., 4., 5. und 9. Juni 1903 mit dem Amsterdamer Concertgebouw-Orchester wurden teils von Strauss, teils von Willem Mengelberg (M.) geleitet. Programme: I. ›Till Eulenspiegel‹ (M.), ›Zarathustra‹, ›Tod und Verklärung‹, Orchester- und Klavierlieder. II. ›Don Juan‹ (M.), ›Don Quixote‹, Liebesszene aus ›Feuersnot‹, Orchester und Klavierlieder. III. ›Macbeth‹, ›Zarathustra‹, Orchestergesänge, op. 33, Nr. 3 und 4 (Francon Davies), ›Heldenleben‹ (M.). IV. ›Aus Italien‹ (4. und 5. Satz [Anm.: Richtig ist: 4. und 3. Satz, in vertauschter Reihenfolge, wie aus der Rezension b44073 hervorgeht]), ›Burleske‹ (Backhaus), ›Guntram‹-Schluß (Harrison), ›Heldenleben‹.«

verantwortlich für die Edition dieses Dokuments: Stefan Schenk

Quellennachweis

  • Original: Bayerische Staatsbibliothek (München), Signatur: Ana 330, I, Strauss, Nr. 500 (Autograph) (Transkriptionsgrundlage)

    • Hände:

      • Richard Strauss (handschriftlich)
    • Autopsie: Keine Autopsie des Originals.

Bibliographie (Auswahl)

  • Auszug in Richard Strauss / Willi Schuh (Hrsg.): Briefe an die Eltern 1882–1906, Zürich, Freiburg (Breisgau), 1954, S. 276–277.
  • Genannt/Verzeichnet in Günter Brosche (Hrsg.) / Karl Dachs (Hrsg.): Richard Strauss: Autographen in München und Wien. Verzeichnis (= Veröffentlichungen der Richard-Strauss-Gesellschaft, Bd. 3), Tutzing, 1979, S. 189.

Zitierempfehlung

Richard Strauss Werke. Kritische Ausgabe – Online-Plattform, richard‑strauss‑ausgabe.de/d03621 (Version 2021‑04‑12).

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