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Brief
Richard Strauss an Josephine Strauß
Montag, 10. Oktober 1892, Weimar

relevant für die veröffentlichten Bände: III/4 Macbeth
[1r]

Liebe Mama!

Mit der tötlichen Langeweile von Glucks ungestrichener Alceste werden heute Abend die Festtage zu Ende gehen, die sehr schön waren. Unsere lebenden Bilder, sowie der gestrige Festzug, der wirklich für das kleine Ländchen eine außerordentliche Leistung war sind sehr gelungen. Freitag war Serenade vorm Schloß von Lassen componirt u. dirigirt, sämtliche Gesangvereine. Gestern Abend Hofconcert. Kurz der Rum̅el war groß u. der Jubel riesig u. Alles ist vergnügt, daß es so gut abgelaufen ist. Ich habe mit den Bildern einen großen Erfolg gehabt; sie haben sehr abgestochen gegen Br. u. L.; Seckendorff, der beim Erzherzog Rainer zum Ehrendienst com̅andirt war, erzählte mir, daß der Erzherzog, als Seck. [Seckendorff] ihn aufmerksam machte, jetzt käme Composition [1v] von Lassen oder Bronsart etc.; wie das zweite Stück von mir kam, sagte: »auf den Strauss brauchen Sie mich nicht aufmerksam zu machen, den kenn’ ich allein«! Was mir Steckendorff freudestrahlend gestern Abend erzählte.

Außer dem Orden habe ich noch die goldene Erinnerungsmedaille mit dem Bild des Großherzogs u. der Großherzogin bekom̅en; eine neue Auszeichnung mit einem Dankschreiben für die erfolgreichen Bemühungen um die Verschönerung des Festes!

Nach dem Festzug, den ich prachtvoll auf einer einges für mich u. die Hofkapelle gebauten Tribüne (wir spielten den Göthemarsch von Liszt, als der Theaterwagen vorbeikam) gesehen habe, sah ich im Hof des Sophienstiftes die Abfahrt der Herrschaften, die recht interessant war: 44 Fiaker! Kranach [?] hat nach dem Festzug vom Kaiser ein Bild erhalten mit der Unterschrift: »dem würdigen [2r] Enkel eines großen Ahnen«, worüber er natürlich beinahe aus dem Häuschen geraten ist. –

Das Wetter ist schon recht abscheulich u. ich freue mich fort; den Urlaub hoffe ich in den nächsten Tagen zu erhalten.

Heute schrieb Levi an mich u. lud mich sehr freundlich ein, in den Akademieconcerten, die er diesen Winter wieder übernehme, Tod u. Verkl., oder Macbeth oder »was ich sonst wünschte« zu dirigiren. Ich antwortete ebenso freundlich, ich freute mich, wenn er was aufführte, habe aber für das Dirigiren im Hinweis auf Ägÿpten etc. gedankt.

Der Theatertrödel hier wird mir im̅er ekelhafter u. der Lassen‑ Gießenwahnsinn wird wohl diesen Winter seinen Höhepunkt erreichen. Zeller wird wahrscheinlich Anfang November in London den Tristan singen. Frl Paulinchen’s Husten ist im̅er noch nicht gut, [2v] sie läßt herzlich grüßen u. ist sehr sanft u. liebenswürdig.

So, nun ist der Neuigkeitenstall wieder einmal ausgeleert.

Tausend Grüße an Dich, liebe Mama, Papa u. Hanna u. alle Freunde

Euer

R.

Sendung mit Hemden etc. erhalten!

verantwortlich für die Edition dieses Dokuments: Stefan Schenk

Quellennachweis

  • Original: Bayerische Staatsbibliothek (München), Sammlung: Handschriften, Signatur: Ana 330, I, Strauss, Nr. 262 (Autograph) (Transkriptionsgrundlage)

    • Hände:

      • Richard Strauss (handschriftlich)
    • Autopsie: 2014-11-06

Bibliographie (Auswahl)

  • Genannt/Verzeichnet in Günter Brosche (Hrsg.) / Karl Dachs (Hrsg.): Richard Strauss: Autographen in München und Wien. Verzeichnis (= Veröffentlichungen der Richard-Strauss-Gesellschaft, Bd. 3), Tutzing, 1979, S. 166.

Zitierempfehlung

Richard Strauss Werke. Kritische Ausgabe – Online-Plattform, richard‑strauss‑ausgabe.de/d02337 (Version 2017‑03‑31).

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