Brief
Richard Strauss an Josephine Strauß
Mittwoch, 19. März 1890, Weimar

relevant für die veröffentlichten Bände: III/6 Tod und Verklärung

[1r]

Liebe, teure Mama!

Du wirst entschuldigen, daß ich zum Namenstag nur telegrafirt habe, es war mir gestern nicht möglich, auch nur 10 Minuten für einen Brief herauszuquetschen. Das Concert Montag Abend ging vortrefflich u. das Sturmlied, für das Chor u. Orchester sehr enthusiasmirt waren, (es wird vielleicht noch in dieser, jedenfalls aber in nächster Saison wiederholt werden), hat sehr gefallen. Ich reiste eine Stunde nach dem Concert ab, 11 Uhr, kam mit Bum̅elzug hier 9 Uhr früh Dienstag an, hielt von 10 bis 2 Tannhäuserprobe, dirigirte gestern Abend Joseph, heute u. täglich (morgen mit Orchester) riesige Tannhäuserproben, dabei eine große, zum Theil dienstliche Correspondenz, kurz: ich habe furchtbar zu tun.

Daher auch jetzt nur in Eile nachträglich viele tausend, herzliche [1v] Wünsche für Dich, liebe Mama u. die Nachricht, daß es mir mitten in größter Arbeit vortrefflich geht, mit den Anforderungen vermehrt sich meine Spannkraft zusehends.

Wenn es Papa schwer wird, wegen Musikschule schon zum 27ten hierher zu kom̅en, so soll er sich nicht beeilen, Tannhäuser wird am Ostersonntag wiederholt. Ich freue mich riesig wenn er kom̅t u. hoffe, ihn bei mir beherbergigen [sic] zu können.

Ich werde morgen mit Grützmacher reden.

Fräulein de Ahna hat gestern in Cassel Probe gesungen u. telegrafirt mir soeben von einem Contract auf 5 Jahre dort; Ich warte mit Schmerzen auf Ritters Oper u. fürchte, wenn sie nicht bald kom̅t, daß die Copisten nicht fertig werden.

Die beiden Opern sollen Anfang Juni hier herauskom̅en[.]

Daß ich die Eisenacher Tonkünstlerversam̅lung (Liszt’s Dantesinfonie, mein »Tod u. Verklärung[«]) dirigire, wisst ihr wohl.

[2r] Vielleicht gehe ich im April nochmal nach Berlin, um in einem populären philharmonischen Concert: Macbeth, Don Juan u. Sturmlied zu dirigiren. Vorläufig ein Projekt!

In Berlin war’s bei der hübschen Frühjahrsstim̅ung u. in der liebenswürdigen Gesellschaft von Freund Rösch sehr hübsch, die Juden waren diesmal ziemlich entfernt.

Alterirt Euch nicht zu sehr über Bismarks Rücktritt, ich denke, er weiß die Sache in besten Händen u. will nur Ruhe haben, (die übrige ist wohl wieder Judenmache)

u. seid tausendmal herzlich gegrüßt

von

Eurem

R.

verantwortlich für die Edition dieses Dokuments: Stefan Schenk

Quellennachweis

  • Original: Unbekannt (Autograph)

    • Hände:

      • Richard Strauss (handschriftlich)
    • Autopsie: Keine Autopsie des Originals.

    • Reproduktionen:

      • Bayerische Staatsbibliothek (München), Signatur: Ana 330, I, Strauss, Nr. 185a (Transkriptionsgrundlage)

    Bibliographie (Auswahl)

    • Edition in Richard Strauss / Willi Schuh (Hrsg.): Briefe an die Eltern 1882–1906, Zürich, Freiburg (Breisgau), 1954, S. 131.

    Zitierempfehlung

    Richard Strauss Werke. Kritische Ausgabe – Online-Plattform, richard‑strauss‑ausgabe.de/d02127 (Version 2022‑11‑18).

    Versionsgeschichte (Permalinks)