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Brief
Richard Strauss an Johanna Strauß
Sonntag, 2. März 1890, Weimar

relevant für die veröffentlichten Bände: III/5 Don Juan

[1r]

Liebe Schwester!

Vielen Dank für Deinen lieben Frankfurter Brief. Mein Aufenthalt in Neujerusalem war durch die liebenswürdigen Thode’s, Siegfried Wagner u. Sonia von Schehafzoff ein sehr angenehmer, trotzdem man sich um mich gereiht hat u. ich unendliche Diner’s u. Souper’s verzehren musste. Ich musste den Thode’s, die ihren Bayreuther […] aufführen wollten, manche Concession machen, sie haben mich aber durch ihre große Freundlichkeit u. das hervorragende Interesse, das sie an meinem Don Juan nahmen, reichlich für manche Stunde der Langweile in Frankfurter Patricierhäusern entschädigt. Mitten in der Brahmsclique haben auch sie einen schweren Stand.

Der Erfolg des Don Juan war, wie gesagt, famos, größer als der von Italien, die Bande Dessoff, Scholz, Frau Schumann habe [1v] ich diesmal gar nicht zu Gesicht bekom̅en, die verkriechen sich nun schon, die Aufführung (mit dem scandalösen (!) Lenauschen Program̅) hat bei den biedren Frankfurtern, die allerdings die schlechteste u. unsauberste französische Komödie anstandslos hinnehmen, große Aufregung hervorgerufen u. wurde ich sehr gefeiert. Dies für Papa, denn mir ist es furchtbar egal!

Die Orchesterleistung war, trotz nur 3 Proben, sehr gut u. schwungvoll, vielleicht frappirte die Leute auch, daß sie endlich statt des ewigen mfo ein ppo und ordentliches fffo gehört haben, denn diese enthaltsame Musicirerei unter Müller ist scheußlich. Kurz u. gut, das Publicum war enthusiasmiert electrisirt, u. mußte mit, ob es nun wollte oder nicht. Die Kritik wird wahrscheinlich schimpfen, ich lasse sie mir [2r] gar nicht zuschicken.

Thode’s u. Siegfried, dessen musikalische Studie ich mir zeigen ließ, er macht famose Fortschritte, sowie der reizende Humperdink [sic] waren sehr begeistert von Werk u. Direction. Hier fand ich einen herrlichen Brief von Frau Wagner vor, welche mir zugleich den Nachlaß von Heinr. von Stein, sowie die Entwürfe u. Fragmente von Wagner zum Geschenke machte. Schluß des Briefes: »Gott mit Ihnen, mit Ihrem Ernste, Ihrem Eifer, Ihrer Wahrhaftigkeit u. Ihrem Zartsinn! Ich werde mich im̅er freuen, Ihnen zu begegnen u. trotz der schlechten Eisenbahnverbindungen wollen wir vereint bleiben!«

Vorher: »Mit ungeteilter Freude gedenke ich Ihrer Lohengrinaufführung u. glaube, daß sie als Segen Ihre ganze Laufbahn begleiten wird«! etc. etc.

Hier geht es den gemütlichen alten Trab. Dienstag habe ich Figaro, Mittwoch ist Aida, Sonntag Teufels Antheil, diese Woche [2v] fange ich mit Thanhäuser an, den ich Ende des Monats herauszubringen hoffe, um dann mit dem Studium des faulen Hans zu beginnen.

14. März geh ich nach Berlin, um »Wanderers Sturmlied« zu dirigiren.

Für heute lebt wohl, bleibt gesund u. munter.

Papa soll ja auf Ostern mich besuchen!

Tausend Grüße an Dich, Papa u. Mama, Ritters, Thuille’s Pschorrs,

Euer

R.

verantwortlich für die Edition dieses Dokuments: Stefan Schenk

Quellennachweis

  • Original: Bayerische Staatsbibliothek (München), Signatur: Ana 330 I, Strauss 183 (Autograph) (Transkriptionsgrundlage)

    • Hände:

      • Richard Strauss (handschriftlich)
    • Autopsie: Keine Autopsie des Originals.

Bibliographie (Auswahl)

  • Genannt/Verzeichnet in Günter Brosche (Hrsg.) / Karl Dachs (Hrsg.): Richard Strauss: Autographen in München und Wien. Verzeichnis (= Veröffentlichungen der Richard-Strauss-Gesellschaft, Bd. 3), Tutzing, 1979, S. 159.

Zitierempfehlung

Richard Strauss Werke. Kritische Ausgabe – Online-Plattform, richard‑strauss‑ausgabe.de/d02122 (Version 2018‑01‑26).