[1r]
Verehrter lieber Herr College!
Ihrem liebenswürdigen Generalintendanten habe ich auf seinen Brief vor meiner Reise hierher umgehend geantwortet. Nehmen Sie mir nicht übel, daß ich mich nicht wiederhole. Schreiberei ist mir, je älter ich werde, um so verhaßter und – unmöglicher.
Daß ich am 13. Nov. in Weimar spiele und zu welchem Zwecke, muß Ihnen ja auch bekannt sein. Do. [Dito] daß ich diesen Winter 11 Conzerte hier u. ebensoviel in Hbg. [Hamburg] zu dirigiren habe und unter anderen Mängeln den der Nichtubiquität besitze. In der ersten Winterhälfte ist mir sonach das Vergnügen unter Ihrer Leitung in W. [Weimar] zu spielen, absolut unmöglich. Meine Gesundheit ist überdies ganz und gar nicht mehr so elastisch [wie] früher und ich muß neue Verpflichtungen von mir weisen, ja sogar alte zu lösen suchen, [1v] so weit dies angeht ohne anderer Interessen empfindlich zu schädigen. Wenn ich am 15 Nov. in Wiesbaden, am 16 in Mainz Engagements angenommen, so geschah dies – aus Nothwendigkeit, nicht aus Passion u. s. w. u. s. w.
Es freut mich, daß Ihr Freund R. [Rösch] sich nicht über die Dürftigkeit meiner Aufnahme – ich habe verfl. wenig Zeit übrig – beklagt. Seine Discretion thut mir wohl und seine Verehrung für Sie ist sehr erquicklich.
Herrn Spitzwegs Resurrectionsanzeige habe ich neul. bestens beantwortet.
Ihren Don Juan entschließen Sie sich wohl in dem 2. Cyclus hier – je nachdem es mit Wolffs andren Arrangements (Sgambati u. s. w.) paßt – selbst zu dirigiren, da Sie zu den wenigen Componisten zählen, die das selbst am Perfektesten thun können. Jetzt muß ich Abschied nehmen – ich habe Dvořák’s Sinfonie noch gründlich zu perouvrieren und einige Tonleitern zu spielen, worin ich natürlich von allerhand [2r] unwillkommenen Störenfrieden unterbrochen werden dürfte.
Empfangen Sie meine freundschaftlichsten Grüße und Wohlwünsche.
Ihr ganz ergebener
HvBülow