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Lieber Herr Strauss!
Nach Ihrem freundlichen Brief vom gestrigen Tage scheint mir die Möglichkeit nicht ganz ausgeschlossen, daß Sie sich doch mit den hiesigen Verhältnissen einzurichten versuchen, wenigstens glaube ich Ihrem Wunsch, ich möchte Ihnen die erforderlichen Anstrengungen, um durch andere Arbeiten Ihren Lebensunterhalt zu ergänzen, erleichtern helfen. Vielleicht ließe sich ein kleiner Zuschuß ermöglichen dadurch, daß Sie sich beim Unterricht an der hiesigen unter Müller-Hartung Direktion stehende und meiner Oberleitung unterstellten Großherzogl. Musikschule beteiligen?
Die ganze Sache eilt freilich nicht, aber es ist gerade die Gelegenheit günstig, da genannte Summe vakant geworden, welche eigentlich als außerordentlicher Zuschuß wieder an die Großherzogliche Kasse zurückfallen sollte, die ich aber hoffen dürfte für die Gewinnung eines jungen hervorragenden Kapellmeisters zur Disposition zu erhalten, wenn ich schnell zugreife.
[124] An eine Erhöhung derselben ist schlechterdings nicht zu denken, und es würde immer meiner energischen Beredsamkeit bedürfen, um sie überhaupt verwenden zu dürfen.
Es würde sich dabei um die Änderung einer recht komplizierten Angelegenheit handeln, welche damit im Zusammenhang steht, und deshalb wäre es sehr erwünscht, wenn Sie sich bald zu einem bestimmten Ja oder Nein entschließen könnten.
Ich glaube wenn Sie keine besonderen Ansprüche an die materiellen Lebensbedürfnisse machen, so würde die in Rede stehende Summe fast zur Bestreitung derselben genügen; wenigstens leben hier viele Beamte ganz anständig, die auch nicht mehr haben.
Auch sollte ich meinen, daß Sie sich durch Ihre Kompositionen etwas verdienen werden. Ich bitte Sie, mir zu sagen, in welcher Richtung Sie sich event. bei der Musikschule als Lehrer zu beteiligen geneigt wären. Die Versammlung in Wiesbaden findet bestimmt vom 27. bis 30. Juni statt, hoffentlich werden Sie durch Bayreuth nicht verhindert, Ihre italienische Symphonie zu dirigieren.
Mit freundlichen Gruß
Ihr hochachtungsvoll ergebenster v. Bronsart
Wenn Zeller Wert darauf legt, eine Arrangierprobe mit dem Regisseur vor der Orchesterprobe zu haben, so lässt sich solche nur Sonnabend den 9. um ein Uhr ermöglichen, da alles mit Proben so besetzt ist, daß eine andere Zeit gar nicht disponibel wäre. Ist aber Zeller so in Gesang und Spiel vorbereitet, daß die Orchesterprobe genügt, so braucht er vor Montag den 11. abends nicht einzutreffen.
Auch müßte er die Arrangierprobe ohne »Fenella« (Frau Lindner) machen, die Sonnabend eine neue Rolle spielt.
Mein letzter Brief an Zeller, Kaulbachstr. 30 gerichtetes Telegramm, kam als unbestellbar zurück, ich habe deshalb heute abend unter Ihrer Adresse telegraphiert, da Zeller die Wohnung gewechselt zu haben scheint.