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Brief
Richard Strauss an Josephine Strauß
Sonntag, 8. Dezember 1889, Weimar

relevant für die veröffentlichten Bände: III/5 Don Juan

[1r]

Liebe Mama!

Herzlichen Dank für Deinen lieben Brief; diese Woche war für mich so mit Taktschlagen gepfeffert, die Klavierproben inzwischen rechne ich schon gar nicht, daß ich wirklich keine Zeit zum Briefeschreiben hatte. Wenn heute Abend der Lohengrin glücklich vorbei ist, u. morgen das anstrengende Concert, dann habe ich 14 Tage Ruhe, die mir sehr wohl thun wird. Gott sei Dank bin ich gesund u. munter u. freue mich sehr auf heuten Abend, nach diesem ewigen Absagen u. Störungen. Noch bis vor einer halben Stunde hatte ich keinen Harfenisten zum Lohengrin, da derselbe krank war, nun hoffe ich aber doch, daß wir glücklich durch sind, wenn ich’s auch erste glaube, wenn ich den letzten Aduraccord höre. Ich habe vorläufig [1v] das Menschenmöglichste getan u. das halbe Theater wegen dieses »alten« Lohengrin auf den Kopf gestellt. Mein erster Erfolg ist, daß ich den Leuten wenigstens bewiesen habe, daß Lohengrin doch nicht so leicht ist, als sie alle geglaubt haben. Bronsart hat mich auf den 2 Arrangirproben sehr eifrig unterstützt. –

Samstag den 14. beginnt hier im Künstlerverein, wo ich sehr viel verkehre (so eine Art Allotria mit einem reizenden Lokal in einer alten Schmiede), eine Imitation der Pariser Weltausstellung, auf welcher ich als Bonbonverkaufender Nubier figurieren werde. Zudem haben Lassen, Sommer, Lindner u. ich auf den Text der schwedischen Zundhölzer Männerquartette componirt, die dort im Varietétheater gesungen werden. Es wird der Eiffelturm [2r] imitirt, eine großartige Maschinenhalle mit Butterbrotmaschine u. anderem Ulk. Es wird sehr nett werden. Nächsten Donnerstag haben wir hier Cellini, am 15.ten die Meistersinger unter Lassen. In nächster Zeit werde ich wahrscheinlich im Lisztverein meine Cellosonate, Klavierquartett, Violinsonate spielen, Gießen Lieder von mir singen, ein ganzer Straussabend. Bezüglich der Orchesterconcerte des Lisztvereins habe ich noch keine Schritte getan u. will abwarten, bis wer an mich kom̅t, auch möchte ich nicht mit Paur in Conflict kom̅en, der sich allerdings mit Krause überworfen hat.

Soeben sind die Don Juanstim̅en zur Correctur angekom̅en, anbei ein reizender Brief von Frau Wagner, die ich halb u. halb zum heutigen Lohengrin erwartet habe. Ich bitte Dich, denselben auch Ritter zu zeigen u. mir dann zurückzuschicken. Ich beabsichtige, den hiesigen Wagnerverein, der ganz [2v] schläft, neu zu organisiren u. dort Vorlesungen der Wagnerschen Schriften, vielleicht durch Dr Thode (Frau Wagner hat mich mißverstanden) zu veranstalten.

Morgen ein sehr anstrengendes WerkConcert, Schuberts Cdursinfonie ist wirklich eine arge Schinderei für die Dirigenten u. Orchester u. selbst, wenn man sie ganz glatt durchspielt, furchtbar lang. Über mein Prestissimo des Finale’s, nur so ist es aber genießbar, ist das Orchester halb vom Stuhl gefallen. Ich freue mich riesig auf die Faustouvertüre, Siegfriedidyll u. Huldigungsmarsch.

Hoffentlich seid Ihr wohl u. vergnügt u. gratulire ich Dir, liebe Mama, speciell zum ersten Schnee, ich weiß ja, wie sehnlich Du denselben im̅er erwartest. Wir haben ebenfalls viel Schnee u. tüchtig kalt.

Bitte, schickt mir von meinem Gelde noch 100 M. für Weihnachten u. Neujahr, da ich nicht weiß, wann das Don Juanhonorar eintrifft.

Tausend Grüße an Dich, Papa, Hanna, Ritters, Thuille Pschorrs etc.

R.

verantwortlich für die Edition dieses Dokuments: Stefan Schenk

Quellennachweis

  • Original: Unbekannt (Autograph)

    • Hände:

      • Richard Strauss (handschriftlich)
    • Autopsie: Keine Autopsie des Originals.

    • Reproduktionen:

      • Richard-Strauss-Archiv (Garmisch-Partenkirchen), Signatur: [RICHARD STRAUSS AN ELTERN u. SCHWESTER 1886-1893, Nr. 207] (Transkriptionsgrundlage)

        • Autopsie: 2017-07-25

      • Bayerische Staatsbibliothek (München), Signatur: Ana 330.I. Strauss, Familie, Nr. 162a

    Bibliographie (Auswahl)

    • Edition in Richard Strauss / Willi Schuh (Hrsg.): Briefe an die Eltern 1882–1906, Zürich, Freiburg (Breisgau), 1954, S. 123–124.

    Zitierempfehlung

    Richard Strauss Werke. Kritische Ausgabe – Online-Plattform, richard‑strauss‑ausgabe.de/d01965 (Version 2023‑06‑15).