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Brief
Richard Strauss an Franz Strauß / Josephine Strauß
Freitag, 8. November 1889, Weimar

relevant für die veröffentlichten Bände: III/5 Don Juan

[1r]

Lieber Papa!

Gestern hielt ich die erste (geteilte Correctur) Probe zu Don Juan. Derselbe macht sich ganz ausgezeichnet, ich habe zu meiner Freude ersehen, daß ich wieder Fortschritte in der Instrumentation gemacht habe, alles klingt famos u. kom̅t prächtig heraus, wenn es auch scheußlich schwer ist. Die armen Hornisten u. Trompeter taten mir wirklich leid. Die bliesen sich ganz blau, so anstrengend ist die Geschichte, es ist nur ein Glück, daß das Stück kurz ist. Der I. Hornist frug mich ganz ängstlich, ob denn die Pastoralsinfonie nach Don Juan käme; als ich bejahte, meinte er, »das kann gut werden«. Der Klang war wundervoll, von einer riesigen Glut u. Üppigkeit, die Geschichte wird hier einen Mordseffect machen. [1v] Besonders schön klang die Oboenstelle in G-Dur mit den 4fach geteilten Contrabäßen, die geteilten Cellis u. Bratschen alles mit Sordinen, auch die Hörner alle mit Sordinen, das klingt ganz magisch, ebenso die Katerstelle mit dem Harfenbispiglando u. den Bratschenponticellis. Unser erster Trompeter hatte so etwas noch nie gesehen, ein alter, schwerfälliger Mann, dem noch nie eine solche Beweglichkeit in’s hohe H hinauf zugemutet worden war.

Ein Glück ist nur, daß das ganze Ding nicht eigentlich difficil ist, es ist nur sehr schwer u. anstrengend, auf 50 Noten mehr oder weniger kom̅t es ja nicht an. Unser I. Clarinettist hatte auch noch keine Passage in’s hohe Fis hinauf geblasen, ebenso ge[2r]trauten sich die Contrabäße nicht in’s hohe H hinauf, was aber gerade wundervoll charakteristisch klang.

Die gestrige Probe war mir ein Erfolg, da ich sah, daß ich wieder Fortschritte in der Sicherheit der Orchesterbehandlung gemacht hatte.

Dem Orchester schien die Geschichte trotz ihrer natürlichen Verwunderung über solch unerhörte Dinge Spaß zu machen. Morgen habe ich das ganze Orchester zum ersten Male zusammen u. freue mich sehr auf die Probe. Dienstag habe ich zwei Stunden an der Pastoralsinfonie probirt, dieser Beethoven ist doch infam schwer, da er so ungeheuer difficil ist. Ich hoffe, daß sie recht gut gehen wird, wenngleich ich bei [Notenbeispiel] im̅er an meinen unvergleichlichen Papa denken muß, dem so was doch keiner nachbläst. –

Morgen Abend wieder Figaro, am 21.ten werde ich [2v] Joseph in Ägÿpten mit Zeller herausbringen, wenngleich mir die Oper sehr langweilig ist. –

An Tod u. Verklärung fehlen noch 3 Partiturseiten.

Mir geht es sehr gut. Morgen nach der Probe werde ich Euch wieder eine Karte schreiben.

Für heute Adieu!

Tausend Grüße an Dich, Mama u. Hanna,

Richard.

Grüße auch an Ritters, Thuille’s Pschorrs etc.

Die 100 M. habe ich erhalten!

Besten Dank!

verantwortlich für die Edition dieses Dokuments: Stefan Schenk

Quellennachweis

  • Original: [unbekannt] (Autograph)

    • Hände:

      • Richard Strauss (handschriftlich)
    • Autopsie: Keine Autopsie des Originals.

    • Reproduktionen:

      • Richard-Strauss-Archiv (Garmisch-Partenkirchen), Signatur: [RICHARD STRAUSS | AN | ELTERN u. | SCHWESTER | 1886–1893, Nr. 204a] (Transkriptionsgrundlage)

        • Autopsie: 2017-07-25

Bibliographie (Auswahl)

  • Edition in Richard Strauss / Willi Schuh (Hrsg.): Briefe an die Eltern 1882–1906, Zürich, Freiburg (Breisgau), 1954, S. 119–120.

Zitierempfehlung

Richard Strauss Werke. Kritische Ausgabe – Online-Plattform, richard‑strauss‑ausgabe.de/d01955 (Version 2018‑01‑26).