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Brief
Richard Strauss an Franz Strauß
Samstag, 12. Oktober 1889, Weimar

relevant für die veröffentlichten Bände: III/4 Macbeth
[1r]

Mein lieber guter Papa!

Vielen Dank für Deinen lieben Brief, den ich sogleich beantworten will. Es geht mir hier sehr gut, gestern habe ich wieder an »Tod und Verklärung« zu arbeiten angefangen, da meine 3 Opern Figaro, Czaar u. Freischütz abgesagt wurden u. dafür (leider) Holländer (trotz meines Sträubens, es war keine andere Vorstellung möglich) u. zweimal Postillon eingeworfen wurden. Gestern war ich mit Lassen bei Bronsart Abends eingeladen, wo ich Macbeth u. Don Juan vorspielte; besonders letzterer gefiel sehr u. wünscht Bronsart dringend, daß ich ihn hier aufführe, was eigentlich gegen meine Absicht ist. Über Don Juanprobe in Berlin habe ich nichts gehört, wie sie ausgefallen ist u. ob sie überhaupt stattgefunden hat. –

Die Theaterverhältnisse sind hier, trotz alles Primitiven, sehr angenehm u. bequem, das Orchester schwärmt sehr [1v] für mich, Halir hat sich bis jetzt sehr gut gegen mich benom̅en, sich sogar zur Abhaltung von Streicherproben für die Concerte selbst angeboten. Für die Concerte wird das Streichquartett von der Musikschule aus bedeutend verstärkt.

Ich habe gestern Bronsart meine Concertprogram̅e unterbreitet. Adursinfonie, Fdursinfonie, König Stephan u. Leonore I. von Beethoven,
Ideale, Festklänge, Orpheus von Liszt,
Sinfonie phantastique von Berlioz,

Faustouverture, Siegfriedidyll von Wagner,

Nirwana von Bülow,

Sinfonie espagnole von Lalo (Halir),

Lieder von Ritter
(Zeller) etc.
worüber Bronsart die Hände überm Kopf zusam̅enschlug. Von Liszt werde ich wahrscheinlich nur die Ideale [2r] durchsetzen, da im März ein eigenes Lisztconcert unter Lassen ist. Jedenfalls werde ich mein möglichstes thun, meine Program̅e aufrecht zu erhalten.

Am 22. Oktober (Liszt’s Geburtstag) haben wir scenisch dargestellt, die heilige Elisabeth. Ich hoffe demnächst Iphigenie in Aulis neu einzustudiren, für den nächsten Lohengrin sind bereits zwei bis drei Arrangirproben angesetzt, die ich mit Bronsart zusam̅en selbst in die Hand nehmen werde. Mit dem Regisseur kom̅e ich trotzdem sehr gut aus. An Novitäten sind hier in Aussicht, außer den Ritterschen Opern, das eherne Pferd von Auber, die Trojaner von Berlioz u. wahrscheinlich Lorelei von Hans Sommer, welche trotz des nicht mehr zeitgemäßen, mir sehr unsympatischen Textes musikalisch zu dem Besten u. Interessantesten gehört, was heute in Deutschland geschrieben wird. –

Hat Hanna tüchtig erzählt? Es ist sehr reizend hier, speciell [2v] über meine Wohnung bin ich sehr glücklich.

Meine Kopfschmerzen sind schon wieder in Ordnung u. ich sehr wohl u. vergnügt.

Bleibt gesund u. munter u. seid Du, die liebe Mama, Hanna, Ritter, Thuille’s, Pschorr’s etc. herzlich gegrüßt

von

Eurem R.

Danke, Partituren u. Lampe (letztere kam leider mit zerbrochener Glocke u. mit einem ganzen Cylinder an) soeben angelangt. Herzlichen Dank!

verantwortlich für die Edition dieses Dokuments: Stefan Schenk

Quellennachweis

  • Original: Münchner Stadtbibliothek (München), Sammlung: Monacensia, Signatur: Strauss, Richard A I/163 (Autograph)

    • Hände:

      • Richard Strauss (handschriftlich)
    • Autopsie: 2014-10-30

    • Reproduktionen:

      • Bayerische Staatsbibliothek (München), Signatur: Ana 330, I, Strauss, Nr. 158a (Transkriptionsgrundlage)

        • Autopsie: 2014-10-30

Bibliographie (Auswahl)

  • Edition in Richard Strauss / Willi Schuh (Hrsg.): Briefe an die Eltern 1882–1906, Zürich, Freiburg (Breisgau), 1954, S. 115–116.
  • Genannt/Verzeichnet in Günter Brosche (Hrsg.) / Karl Dachs (Hrsg.): Richard Strauss: Autographen in München und Wien. Verzeichnis (= Veröffentlichungen der Richard-Strauss-Gesellschaft, Bd. 3), Tutzing, 1979, S. 243.

Zitierempfehlung

Richard Strauss Werke. Kritische Ausgabe – Online-Plattform, richard‑strauss‑ausgabe.de/d01946 (Version 2017‑03‑31).