Hochverehrter Herr Generalintendant!
Also ich habe mich entschlossen u. nehme mit Freude Ihr Anerbieten an, als Hofkapellmeister nach Weimar zu kommen. Mein besseres Ich hat gesiegt: der Gedanke an eine wahrhaft künstlerische freie Tätigkeit unter Ihrer Leitung hat die Bedenken von materieller Seite niedergerungen. Ich weiß zwar jetzt noch nicht, wie es mir möglich sein wird, mit der mir gebotenen Gage auszukommen, doch will ich weiter gar nicht mehr daran denken, es wird schon gehen; Die Aussicht auf eine Tätigkeit in der altrenommierten »Zukunftsstadt« Weimar ist zu verlockend für einen jungen musikalischen Fortschrittler (äußerste Linke). Haben Sie, hochverehrtester Herr Generalintendant, nochmals herzlichsten Dank für das mir geschenkte Vertrauen; ich werde es an Fleiß und Eifer nicht fehlen lassen, dasselbe auch zu rechtfertigen. –
Obgleich ich nun meinerseits Ihrer Einsicht u. Ihrem Wohlwollen für mich vollstes Vertrauen entgegenbringe, so wäre es mir doch interessant, schon jetzt ungefähr zu wissen, welches Repertoire Sie mir zu übergeben gedenken (auf die Wagnerschen Werke käme es mir natürlich in erster Linie an, denn hier in München war ich immer nur stummer Zuhörer) und ob es Ihnen, hochverehrter Herr Generalintendant, möglich sein wird, mir Anteil an den Conzerten zu geben. Wenn diese Fragen heute Ihnen vielleicht unbescheiden u. voreilig erscheinen, so bitte ich schon jetzt um Nachsicht, die Sie, hochverehrter Herr Generalintendant, allzu extremen jugendlichen Anschauungen gegenüber wohl noch manches Mal werden walten lassen müssen. Für Ihre herrliche Absicht, mir eine Nebentätigkeit an der Musikschule zu verschaffen, danke ich Ihnen bestens; ich wäre an der Schule eventuell als Lehrer für Partiturspiel, Sologesang, speziell Ausbildung vorgeschrittener Gesangsschüler für Oper und Conzert, vielleicht auch Chorgesang, zu verwenden.
Ich freue mich ungeheuer auf Weimar und bin selbst sehr glücklich, daß meine bessere künstlerische Einsicht die Oberhand gewonnen hat.
Frau Ritter und ich nehmen heute Abend mit Zeller, um ihm die ausgefallene Arrangierprobe zu ersetzen, zum letzten Male den Masaniello durch und reist Zeller morgen Sonntag Früh nach Weimar ab.
Mit den herzlichsten Grüßen verbleibe ich unter dem Ausdruck der vorzüglichsten Hochachtung
Ihr dankbar ergebener
Richard Strauss
v. B. [Bronsart von Schellendorf]: daß Alles noch unbestimmt
Mitte Febr. 89