Hochverehrter Herr Doctor!
Die Saison ist vorbei, man denkt an die nächste, natürlich kommt da unter den Ersten Rich. Strauß anmarschirt mit dem Ansinnen, nächsten Winter ein neues Stück von ihm aufzuführen. Ich war so frei, Ihnen, ich glaube, im Januar eine Partitur meiner italienischen Fantasie zu übersenden; haben Sie dieselbe erhalten? Darf ich hoffen, daß Sie sie nächsten Winter aufführen? Ihnen gegenüber brauche ich mich ja für die Frechheiten des Finales nicht zu entschuldigen, den Berlinern hat übrigens im Januar, wo ich sie dort zweimal dirigirt habe, gerade das Finale großen Spaß gemacht. Ich habe in Berlin mit der [1v] Fantasie (beinahe hätt’ ich gesagt, zu meinem eigenen Erstaunen) sehr viel Glück gehabt, philharmonisches Orchester hat großartig gespielt mit nur 3 Proben.
Wie geht es Ihnen? Ich lese immer nur von Ihren wundervollen Programmen, darf ich nicht hoffen, Sie diesen Som̅er zur Ausstellung hier auch zu sehen? Kommen Sie doch, wenn es irgend geht!
Ich habe jetzt im Theater ziemlich zu thun; da Levi wegen hochgradiger Nervosität in (vorläufig) 3 monatlichem Urlaub ist, studire ich Wagner’s Feen ein, die übrigens sehr interessant sind. Sonst geht es mir leidlich, ich arbeite jetzt an einem Originaloperntext, dessen erster Entwurf bereits fertig ist u. wie ich glaube, [2r] sehr gut gelungen ist.
Wie geht es Ihrer verehrten Familie? Bitte, mich derselben bestens zu empfehlen, ich selbst bleibe mit herzlichsten Grüßen
in ausgezeichnetster Hochachtung
Ihr stets dankbarster
Richard Strauß.