[71] [unbekannte Hand:]
Hochverehrtester Meister!
Ihr lieber Brief trifft mich am Starnberger See, wo ich, der Einladung meines Onkels Pschorr folgend, in dessen reizender Villa einen dreiwöchentlichen Urlaub genieße, da ich im Theater gar nichts zu tun habe. Betreff des Jdomeneus [sic] habe ich sofort an Collegen Fischer geschrieben, welcher Ihnen nächsten Donnerstag (Mittwoch ist Jdomeneus) sofort unsre Partitur nach Hamburg senden wird. Unsre Abänderungen der Originalpartitur sind nicht sehr groß u. betreffen fast nur Recitative. Machen Sie das große Ballet?
Vielleicht acceptiren Sie auch den Vorschlag, den Oberpriester des letzten Aktes von einem Bariton singen zu lassen, bei uns Fuchs. [Arbaces] ist bei uns, glaube ich, auch Bariton; wenn ich nicht irre, Bausewein. Bei den vielen hohen Stimmen im Jdomeneus thun die paar tiefen Organe sehr wohl! Die Klavierproben mit nicht vollzähligem Personal kenne ich u. haße sie tödtlich; bedaure nur, daß es Ihnen darin nicht besser geht, wie unsereinem.
Wollen Sie wirklich auch »Perlenfischer« dirigiren? Ist die Oper wirklich würdig, von Ihnen dirigirt zu werden[?]
Tausend Dank, daß Sie meiner italienischen Fantasie die Ehre der Aufnahme in Ihre Programme erweisen; ich sitze bis über die Ohren in den Correcturen; eine greßliche [sic], krampfhafte Arbeit.
Bei Jessonda möchte ich dabei sein! Am 13. Oktober dirigire ich im Leipziger Gewand-ruine meine Fmollsinfonie mit zwei Proben. Außerdem arbeite ich an der Fabrikation eines – erschrecken Sie nicht – selbsterfundenen, ureigenen, tragischen Originaloperntextes in drei Akten!!
[72] Indem ich Sie bitte, mich Ihrer verehrten Frau bestens zu empfehlen, mit herzlichsten Grüßen
in ausgezeichnetster Hochachtung
Ihr immer dankbarer
Richard Strauss