Hochverehrtester Herr Hofrat!

Daß Sie meine Fantasie nicht ungesehn in’s Programm aufnehmen können, begreife ich eigentlich schon; zu meinem Bedauern erfuhr ich gestern durch Herrn Professor Fürstenau, daß die entscheidende Repertoiresitzung über die Concerte schon 12. September stattfindet. In frühestens 8 Tagen haben Sie meine Manuscriptpartitur in Händen, ist es zu unbescheiden, wenn ich die Bitte wage, daß Sie vielleicht höchstens 10 Tage mit dem Beschluß über meine »Sinfonische Fantasie[«] zuwarten, bis sie Einsicht in die Partitur gewonnen haben? Die Dauer der Fantasie ist 40 Minuten, im Falle Ihnen das Werk nicht gefiele, wäre es ja immer leicht rasch [1v] durch ein anderes sinfonisches Werk ersetzt. Sie würden mich zu ungeheurem Danke verpflichten, wenn Sie meine Bitte erfüllten; denn daß ich es offen gestehe, liegt mir viel daran, daß die Hofkapelle diese Saison 87/88 meine Fantasie zur Aufführung bringt; im November ist das Werk im Druck u. vogelfrei, u. wäre es mir, bei aller Verehrung für Herrn Nicodè, doch leid, wenn durch eine Aufführung von seiner Seite mir die Aufführung in den Sinfonieconcerten der kgl. Kapelle vereitelt würde. Denn die Fantasie ist wirklich, das kann Ihnen Levi u. das Münchner Orchester bezeugen, so rasend schwer, daß ihr in Dresden nur die Hofkapelle gewachsen ist. Doch dies, [2r] bitte, ganz unter uns!

In 8 Tagen haben Sie die Partitur!

Indem ich Ihnen, hochverehrtester Herr Hofrat, im Voraus herzlichsten Dank sage u. mich nochmals Ihrem Wohlwollen empfehle, mit ergebenen Grüßen in ausgezeichnetster Hochachtung

Ihr stets dankbarer

RichardStrauss.