Brief
Richard Strauss an Hans von Bülow
Dienstag, 17. Mai 1887, München

relevant für die veröffentlichten Bände: III/3 Aus Italien

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Hochverehrtester, teuerster Meister!

Da es mir leider nicht vergönnt war, wie ich gehofft hatte, – Sie auf der Durchreise nach Frankfurt nochmals begrüßen zu können, so muß ich es wagen, Sie mitten in Ihrer strapaziösen Frankfurter Zeit mit einer Bitte und einer Anfrage zu quälen, die ich Sie bitte, mir nicht zu übel aufzunehmen. Die große Bitte ist: ob Sie mir erlauben, Ihnen, dem ich alles, was ich jetzt bin, verdanke, der Sie mich in der liebenswürdigsten Weise stets gefördert haben als Componisten, Dirigenten pp. – mein neues, wie ich glaube, bedeutendstes Werk: meine italienische Fantasie widmen zu dürfen, als kleines Zeichen meiner großen Dankbarkeit für Sie. Ich habe diese Bitte schon lange auf dem Herzen, erst heute fand ich den Mut, sie Ihnen vorzutragen; werden Sie sie mir erfüllen? Sie würden mich dadurch zu neuem Danke verpflichten. – Die Anfrage, die ich an Sie richten möchte, betrifft die durch Frank’s Leiden, wie ich glaube, erledigte Kapellmeisterstelle in Hannover. Glauben Sie nicht, daß dies doch für mich etwas wäre; hier kann ich vermutlich noch hübsch lange auf die erste Stellung warten u. ich sehne mich geradezu nach einer bedeutenderen, ich möchte fast sagen, unabhängigeren Stellung, wo man nicht immer bei dem geringsten ritenuto in einer klassischen Oper sich im größten Widerspruch mit beiden Kapellmeistern u. Personal befindet. So ging es mir wieder mit dem »Wasserträger«: alles, was Lachner nicht gemacht hatte, sollte ich auch bleiben lassen. Um so zu dirigiren, wie ich möchte u. fühle, muß man die Autorität einer ersten Stellung u. einen Intendanten hinter sich haben, an dem man eine unbedingte Stütze hat. Wenn Sie mir also nicht abrieten, mich vielleicht sogar unterstützen würden, möchte ich an Herrn von Bronsart schreiben. Hannover hat auch eine so herrliche Lage: man bräuchte doch nicht gleich 22 Stunden zu fahren, um sich das Paradies einer Don Juanaufführung unter Herrn von Bülow zu erkaufen. Dies wäre nämlich fast [63] das Hauptmoment, das mich nach Hannover zöge. Verzeihen Sie meine Freiheit; ich möchte Sie nicht verleiten, mir in Ihrer angestrengtesten Zeit schreiben zu müssen, eine Korrespondenzkarte mit zwei

»Ja«

genügt mir vollkommen. Durch Spitzweg erfuhr ich, wie es Ihnen geht, u. daß Sie mit Petzet zufrieden sind, was mich für ihn freut. Sie halten ihn also nicht für talentlos? [Giehrl] wird sich ebenfalls freuen.

Der Barbier von Bagdad hat hier immer größeren Erfolg, der faule Hans ist nächste Woche mit dem häuslichen Krieg zusammen. – Sie kommen ja heuer zur Tonkünstlerversammlung, da komme ich vielleicht auch, wenn’s irgend geht.

Mit der Bitte, alle Frankfurter Freunde bestens zu grüßen, mich Ihrer verehrten Frau zu empfehlen, verbleibe ich mit herzlichsten Grüßen von Ritter, Spitzweg

in ausgezeichnetster Hochachtung

Ihr ewig dankbarer

Richard Strauss

verantwortlich für die Edition dieses Dokuments: Stefan Schenk

Quellennachweis

  • Original: Österreichische Nationalbibliothek (Wien), Signatur: F 50 IMBA 38 (Typoskript) (Transkriptionsgrundlage)

    • Hände:

      • unbekannt (maschinenschriftlich)
    • Autopsie: Keine Autopsie des Originals.

Bibliographie (Auswahl)

  • Edition in Willi Schuh (Hrsg.): Richard Strauss Jahrbuch 1954, Bonn, 1953, S. 46–47.
  • Edition in Gabriele Strauss (Hrsg.): Lieber Collega! Richard Strauss im Briefwechsel mit zeitgenössischen Komponisten und Dirigenten, Bd. 1 (= Veröffentlichungen der Richard-Strauss-Gesellschaft, Bd. 14), Berlin, 1996, S. 58–59.

Zitierempfehlung

Richard Strauss Werke. Kritische Ausgabe – Online-Plattform, richard‑strauss‑ausgabe.de/d01812 (Version 2021‑04‑12).

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