Brief
Richard Strauss an Franz Wüllner
Montag, 7. Juni 1886, München

relevant für die veröffentlichten Bände: III/3 Aus Italien
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Hochverehrtester Herr Director!

Wenn Strauß mit einem Briefe angerückt kommt, so will er fast immer etwas, werden Sie sich denken. Sie haben mich so vieler Liebenswürdigkeit bereits werth erachtet und mir so viel Schönes u. Gutes erwiesen, daß meine Freiheit, Sie immer wieder aufs neue mit einer Bitte zu belästigen, nun schon zur Frechheit fast geworden ist. Kurz und gut; ich habe von Ihren schönen Volksconcerten gehört1 und möchte mir nur die ergebene Anfrage erlauben, ob es Ihnen nicht möglich wäre, in einem derselben meine Sinfonie zu wiederholen, die ja, wie Sie mir selbst versicherten, damals in Köln gefallen hat. Wenn diese Bitte, wie ich fast fürchte, zu unbescheiden ist, so ersuche ich Sie, dieselbe nicht weiter zu berücksichtigen; wenn es Ihnen jedoch irgend möglich wäre, würde ich Ihnen ungeheuer dankbar sein. Zugleich erlaube ich mir, Sie davon zu benachrichtigen, daß in einigen Wochen mein »Wanderers Sturmlied«, dessen Dedication Sie freundlichst angenommen und dessen Aufführung in Köln Sie mir für nächsten Winter in Aussicht gestellt haben, – bei Jos. Aibl hier complet in Partitur, Klavierauszug, Stimmen erscheinen wird. So wie es heraus ist, werde ich so frei sein, Ihnen die Partitur zu übersenden. Ihren freundlichen Rat habe ich befolgt, Orchester- und Chorstimmen haben alle denselben Tact.

Daß ich am 12. August als bair. Hofmusikdirector ins Hoftheater eintrete, wissen Sie wohl bereits; natürlich werde ich nur vor den Culissen thätig sein u. wahrscheinlich mit »Così fan tutte« beginnen. Seit 14 Tagen bin ich von einer fünfwöchentlichen, herrlichen italienischen Reise zurück (Verona, Bologna, Rom, Neapel, Florenz, Mailand, über den Gotthard zurück) und sitze jetzt bis über die Ohren in Correcturbogen des Chors u. Klavierquartetts, außerdem arbeite ich an einer wahrscheinlich 5 sätzigen sinfonischen Fantasie für Orchester, die ich in Italien entworfen habe. –

[9] Ihnen, hochverehrter Herr Director, und Ihrer lieben Familie geht es hoffentlich gut, was ich auch von uns behaupten kann.

Indem ich Sie herzlich ersuche, mir meine Freiheit (resp. Frechheit) nicht übel zu nehmen, verbleibe ich mit den herzlichsten Grüßen an Sie und die lieben Ihrigen

in vorzüglichster Hochachtung

Ihr stets dankbarer

Richard Strauß.

1Die Volkssymphoniekonzerte des Gürzenichorchesters (anfangs acht, später zehn, schließlich sogar zwölf an der Zahl) fanden jeweils in den Monaten Mai – August statt und standen teils unter Wüllners eigener Leitung, teils unter der Leitung der jeweiligen Konzertmeister. – Die f-moll-Symphonie von Strauss wurde in diesen Volkssymphoniekonzerten aus unbekannten Gründen nicht aufgeführt. [Anmerkung in der Transkriptionsgrundlage].
verantwortlich für die Edition dieses Dokuments: Stefan Schenk

Quellennachweis

  • Original: Unbekannt

    • Hände:

      • unbekannt
    • Autopsie: Keine Autopsie des Originals.

Bibliographie (Auswahl)

  • Edition in Richard Strauss / Franz Wüllner / Dietrich Kämper (Hrsg.): Richard Strauß und Franz Wüllner im Briefwechsel (= Beiträge zur rheinischen Musikgeschichte, Bd. 51), Köln, 1963, S. 8–9. (Transkriptionsgrundlage)
  • Edition in Gabriele Strauss (Hrsg.): Lieber Collega! Richard Strauss im Briefwechsel mit zeitgenössischen Komponisten und Dirigenten, Bd. 1 (= Veröffentlichungen der Richard-Strauss-Gesellschaft, Bd. 14), Berlin, 1996, S. 284–285.

Zitierempfehlung

Richard Strauss Werke. Kritische Ausgabe – Online-Plattform, richard‑strauss‑ausgabe.de/d01769 (Version 2021‑04‑12).

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