Brief
Richard Strauss an Franz Strauß
Dienstag, 27. April 1886, Rom

relevant für die veröffentlichten Bände: III/3 Aus Italien

[1r]

Lieber Papa!

Meinen Brief an Mama werdet ihr wohl erhalten haben. Die guten Nachrichten durch Hanna freuten mich sehr, mir geht es ausgezeichnet. Ich reise morgen Früh 7 Uhr nach Neapel, da heute die beiden jungen Grafen Moy’s dahin auf 8 Tage abgereist sind u. ich mich denselben anschließen werde. Die Eindrücke von Rom sind großartig, heute besichtigte ich die Titusthermen u. die Reste des goldenen Hauses von Nero, Gallerie [sic] darin, den Moses von Michelangelo in der Kirche S. Pietro da Vincoli, ferner kroch ich in dem Ghetto herum, da wurde mir aber unheimlich in Mitten dieser Megären, wenn die Hölle so aussähe, dann möchte ich wohl in den Himmel kommen. Vestatempel, Marcellustheater pp. Alles besser mündlich.

[1v] Die Bekanntschaft Lenbach’s freut mich ungeheuer, er ist ein echter Künstler, dabei sehr geistreich in der Unterhaltung u. gemütlich im Umgang, ich kneipe fast täglich abends mit ihm. Familie Moÿ ist sehr liebenswürdig; auch Graf Seilern war ganz freundlich, als ich ihn besuchte. Ich habe eigentlich keine Zeit zu Besuchen u. Bekanntschaften, die Stadt ist groß, Kunstschätze in kolossalen Quantitäten, außerdem das Leben u. Treiben auf den Straßen, Corso pp. äußerst interessant. Nur die Abende bin ich froh in Gesellschaft u. da habe ich Lenbach. Das Theatergehen habe ich schon abgeschworen; zur italienischen Musik werde ich mich wohl nie bekehren, es ist eben Schund. Auch der Barbier von Sevilla dürfte nur mehr in einer hervorragenden Aufführung genießbar sein. [2r] Ich werde in Neapel Pension Riviera an der Chiaia wohnen. Bitte Briefe dahin zu adressiren. Von der Cholera hört man nur in Brindisi, sonst nichts, ein deutscher Arzt Dr Neuhaus warnte mich für Neapel nur vor Austern u. Fischen; Hier trinke ich Wasser, esse Orangen u. habe eher Verstopfung wie das Gegentheil.

Auch nun muß ich zur Table d’hote. Adieux!

Herzliche Grüße an Dich, Mama, Hanna Pschorrs, pp. Levi, pp. pp.

von

Euer R.

verantwortlich für die Edition dieses Dokuments: Stefan Schenk

Quellennachweis

  • Original: Bayerische Staatsbibliothek (München), Signatur: Ana 330, I, Strauss, Nr. 90 (Autograph) (Transkriptionsgrundlage)

    • Hände:

      • Richard Strauss (handschriftlich)
    • Autopsie: Keine Autopsie des Originals.

Bibliographie (Auswahl)

  • Edition in Richard Strauss / Willi Schuh (Hrsg.): Briefe an die Eltern 1882–1906, Zürich, Freiburg (Breisgau), 1954, S. 94.
  • Genannt/Verzeichnet in Günter Brosche (Hrsg.) / Karl Dachs (Hrsg.): Richard Strauss: Autographen in München und Wien. Verzeichnis (= Veröffentlichungen der Richard-Strauss-Gesellschaft, Bd. 3), Tutzing, 1979, S. 151.

Zitierempfehlung

Richard Strauss Werke. Kritische Ausgabe – Online-Plattform, richard‑strauss‑ausgabe.de/d01744 (Version 2021‑04‑12).

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