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Hotel Minerva
Liebe Mama!
Mir geht es ausgezeichnet; heute wunderschönes Wetter u. da ist mir Rom so ganz aufgegangen. Eine Stadt von Palästen! Während ich gestern in Kunstwerken (Vatican, Capitol pp.) schwelgte, genoß ich heute auch die großartige Naturschönheit Roms, vom Lateran aus mit herrlichem Blick auf die Campagna u. das Gebirge. Dann kroch ich in den Ruinen herum von 9–3 Uhr, habe das Essen ganz vergessen, bloß zwei Orangen habe ich, auf den Trümmern des Forums sitzend, verzehrt. Nachmittag war ich im Skt. Peter, in welchem der reinste Corso war; die ganze vornehme Welt [1v] wogte da auf und ab, so viel schöne Weiber auf einem Fleck habe ich noch gar nicht gesehen. Alles spazirte da während des Misereres im S. Peter auf und ab, schwatzte und lachte wie – am chinesischen Thurm. Als Kunststadt u. historischer Fleck ist Rom ja unerreicht, aber auch als Weltstadt, als moderne dürfte es seines gleichen suchen. Diese auserwählten, feinen eleganten Toiletten, diese 100 von Herrschaftswägen vom Corso bis S. Peter! Großartig! Gestern war ich im Barbier von Seviglia, sehr mäßig! Dort wurde mir der 2.te [2r] Theil eines geborgten Gsell-Fels gestohlen, habe mir heute einen Bädeker gekauft. Abends war ich jetzt mit Lenbach, der reizend liebenswürdig ist, und Graf Arco von der deutschen Botschaft im Hotel Quirinal, zu Abend gegessen für 9 Fr.; Prr! Doch das kann man alles eigentlich nicht beschreiben, das muß man sehen, drum lebt wohl! Schreibt gelegentlich u. seid allesamt herzlich gegrüßt von
Eurem R.
In Eile Abends 11 Uhr!
Bin nämlich hunde müd!