Im zweiten Akademiekonzert wurde das neueste Orchestergemälde von Richard Strauß: »Till Eulenspiegels lustige Streiche« aufgeführt. Nächst »Wanderers Sturmlied« halten wir den »Till« für Strauß’ beste, reifste, abgeklärteste, trotz aller gehäuften Partiturschwierigkeit einfachste symphonische Dichtung. Vor allem ist das Werk von einer trefflichen, organischen Einheit in der Struktur. Daran ist die alte Rondoform schuld, welche Strauß natürlich nicht sklavisch kopiert hat. Er hat neuen Wein in alte Schläuche gegossen. Die beiden den lustigen Schelmen-Charakter trefflich malenden Themen bilden den Grundgedanken des Rondos. In allen möglichen Verkleidungen und Stimmungen, in geistvollen rythmischen [sic] Umgestaltungen, in den unglaublichsten orchestralen Kombinationen – die Begabung Strauß’ für das Orchesterkolorit und für neue Klangeffekte konnte sich hier glänzend bethätigen – durchziehen diese beiden Motive, von diatonischen Volksmelodien, die das Milieu bereichern, abgelöst, das Ganze bis zur Katastrophe: Düster dröhnen die Posaunen des Gerichtes – der Verdammungsspruch der Ratsherren erschallt, das Stäbchen wird gebrochen. Till baumelt. Eine charakteristische Flötenfigur verrät, wie ihm der Atem ausgeht. Aber der schöne und einfache Epilog zeigt uns, daß das durch ihn vertretene Element, der schalkhafte Vokshumor, weiterlebt. Er ist als Naturgabe unsterblich. Das Publikum nahm das Werk mit enthusiastischem Beifall auf.
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Wilhelm Mauke
»München«
in: Neue Musik-Zeitung. Illustriertes Familienblatt, Jg. 17 (1896), Heft 1, 1896, Rubrik »Kritische Briefe«, S. 9
relevant für die veröffentlichten Bände: III/7 Till Eulenspiegels lustige Streiche
München.