(Fortsetzung.)
Erfüllt aber den Wanderer zunächst auch Wehmuth bei dem Anblick dieser Natur voll grossartiger Tragik, die harmonische Geschlossenheit derselben erhebt ihn doch auch, enthusiastisch steigert sich sein Empfinden, das weichgestimmte Es dur wandelt sich in das kräftige G dur, gewaltsam entreisst sich der Wanderer der Trauer, wie ein Jauchzen klingt der Triller der Geigen auf dem hohen d, während die scharf rhythmisirten Achtel der Bläser triumphirend darauf hinzuweisen scheinen, dass auch selbst diese in Jahrtausenden greisenhaft abgestorbene Natur nur eine Phase in der Entwickelung des Weltorganismus bildet. Dieses Maestoso bildet den Höhepunct des Satzes, die Stimmung wird eine ruhig bewegte, das mit der Es dur-Melodie verwandte und wieder mit dem Octavensprung beginnende G dur-Motiv, welches abwechselnd von Bläsern und Geigen gebracht wird, klingt jetzt hoffnungsvoller und führt noch zu einem Aufschwung.
Aber da tönen in Octaven die Achtel wieder mysteriös in die lebhafte Stimmung hinein. Alles scheint von Neuem zu erstarren, und mit den choralartigen, von den Arpeggien der Harfe umspielten Accorden des Anfanges liegt wieder die ganze Einöde in trauriger Erhabenheit vor den Augen des verstummten Wanderers.
2. Satz. Wir weilen in den Ruinen Roms, sagen wir: auf dem Forum romanum. Vor dem geistigen Auge des in den Anblick der Trümmerwelt versunkenen Künstlers ersteht das alte Rom der Kaiserzeit, die geborstenen Säulen richten sich wieder empor, Stein fügt sich an Stein, die Bogen schliessen sich, und grossartig ragen das Colosseum, der Minerva-Tempel, der Titus-Bogen und alle jene Denkmäler, welche das weltbeherrschende Volk einst errichtet, gespenstisch in die nüchterne Gegenwart hinein. Da er[209]tönt im kräftigen C dur eine Fanfare, gewissermaassen das musikalische Motto des Satzes:
Geschäftig drängt sich das Volk auf dem Forum, von allen Seiten dringt sein lauter Ruf, ein farbenprächtiges Bild blühenden Lebens! Doch ach! nur Trümmer geschwundener Herrlichkeit sind es! Noch prangt der azurblaue Himmel in unvergänglichem Glanze über Roms Ruinen, aber wo ist jenes schaffensfreudige, die Welt überschauende, anregende Volk geblieben? wo jenes grossartige öffentliche Leben mit seinen Staatsactionen? Sanfte Wehmuth athmet das E moll-Thema der Oboen und Clarinetten, später von den ersten Geigen aufgenommen:
Aber zu mächtig ist der Eindruck, welcher den Künstler der Gegenwart entrückt; immer wieder hört und sieht er das tosende Gewühl das Forum beleben. Auch freundliche Bilder ziehen an seinem geistigen Auge vorüber, es naht sich gemessenen Schrittes eine Schaar Römerinnen voll jugendlicher Reize, ein sanftes Thema der Streichinstrumente, durch leisen Hörnerruf eingeleitet (G dur), dringt an unser Ohr und eint das Zarte dem Starken:
Aber das weibliche Element führt zu Conflicten, die Bässe wühlen unruhig, über G moll, Es dur gelangen wir nach E dur, ein durch das ganze Orchester nachhallender greller Aufschrei auf cis, b, e, g, an welche sich klagende G moll-Terzen der Oboen und Clarinetten schliessen! Der folgende Absatz bringt nun eine complicirte Verarbeitung der erwähnten Themen und scheint anzudeuten, dass auch zur Zeit, als die Paläste und Tempel in ihrem vollen Glanze prangten, schwere Kämpfe die Güter des Lebens umtosten. Die herrlichen Baudenkmäler sind in Schutt und Trümmer verwandelt, der Kampf hat sich ausgerast, immer stiller und ruhiger wird es in den Ruinen, leise, in zarter Harmonie ertönende Terzen der Holzbläser wirken versöhnend. Glanz überstrahlt wieder bald das ganze Bild, und pomphaft schliesst der Satz mit dem Anfangsthema. Dieser überaus sorgsam und interessant durchgeführte Theil steht nach unserem Ermessen hinter dem erheblich knapperen ersten Satz etwas zurück; wir glauben dieses auf Zweierlei zurückführen zu müssen. Das Fanfarenthema, in seiner Structur so charakteristisch, in seinem Ausdrucke so prägnant, ist zu kurz, um bei den durch die thematische Verarbeitung gebotenen Wiederholungen nicht ein wenig zu ermüden; es besteht, wie auch die Trompeten es einführen, eigentlich nur aus vier Takten, von denen die beiden ersten Takte überdies gleich sind. Freilich das Motiv des ersten Satzes der fünften Symphonie von Beethoven, welches von Lenz geistvoll »das Beethoven-Monogramm« nennt, ist noch kürzer, es besteht nur aus zwei Noten; es ist aber auch ein unbearbeiteter Felsblock, welchem des Tondichters Phantasie erst fernerhin besondere Gestaltung verleiht, gewissermaassen ein entwickelungsfähiger Urkeim, während das Fanfaren-Motiv bereits völlig individualisirt auftritt. Das Gegenthema E moll, wennschon es, wie Alles, was Rich. Strauss schreibt, fern von jeder Banalität ist, erscheint uns doch etwas zu leicht und nicht ganz an die Höhe des Stoffes heranzureichen, es fehlt dem Motiv der grosse Zug, den Strauss im ersten Satz so glücklich zu treffen wusste. Aber vielleicht ist es gerade dieser Umstand, welcher den Tondichter bewusst abgehalten, mit schwererem Rüstzeug und grösserem Pathos aufzutreten, die subjective Stimmung des ersten Satzes sollte nicht noch in dem zweiten gleichartig widerhallen. Dieses Bedenken erscheint ästhetisch vollbegründet, es fragt sich dann aber doch, ob die Gefühle des Schmerzes und der Wehmuth, so nahe dieselben in den Ruinen Roms liegen, im zweiten Satz nicht vielleicht ohne Ausdruck hätten bleiben können, sodass nur phantastische Bilder der früheren Herrlichkeit zur musikalischen Illustration gelangten.
(Schluss folgt.)