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J. J.
[ohne Titel]
in: Neue Musik-Zeitung, Jg. 11, Heft 5, ca. März 1890, Rubrik »Konzerte«, S. 59

relevant für die veröffentlichten Bände: III/5 Don Juan
Berlin.

Das VII. Philharmonische Konzert des Dr. H. v. Bülow brachte als einzige Novität: »Don Juan«, Tondichtung für großes Orchester (nach Nik. Lenaus dramatischem Gedicht) op. 12 von Richard Strauß. Sofort drängt sich uns die Frage auf, ob es dem jugendlichen Komponisten (R. Strauß ist 25 1/2 Jahre alt und augenblicklich, nachdem er bereits in München und Meiningen Hofkapellmeister gewesen war, bekleidet er dieselbe Stellung am Hoftheater in Weimar neben Lassen) voll und ganz gelungen ist, die Malerei in der Poesie durch jene in der Musik auszudrücken. Diese Frage können wir im großen Ganzen bejahen; allerdings entbehrt das Werk noch der Klarheit und der feinen Durcharbeitung; jedoch ist es mindestens sehr originell und effektvoll zu nennen. Der Komponist hat fast alle nur erdenklichen, im Orchester üblichen Instrumente zur Anwendung gebracht, um die Erregung des Don Juan zum Ausdruck zu bringen. Besonders gut ist es dem Komponisten gelungen, das Wachsen der Leidenschaften durch immer höhere Töne in den Blech-Instrumenten zu malen und grell bricht das Orchester ab, da der Becher des Genusses bis auf den Grund geleert ist. Meisterhaft sind die Oede und die Wüstenei in dem ausgebrannten Herzen jenes Wollusthelden geschildert durch Anwendung der Posaunen, gestopfter Trompeten und Hörner. – Jedenfalls ist R. Strauß, welcher entschieden die Wagnersche Richtung einschlägt, außerordentlich befähigt, und wird, wenn er seine Gedanken klarer zum Ausdruck bringen wird, noch Vorzügliches leisten. Vielfacher Applaus lohnte den bescheidenen Künstler. Das Werk wurde 2 Tage später im populären Konzert des philharmonsichen Orchesters unter Direktion des Komponisten nochmals zur Aufführung gebracht, erntete viel Beifall und gewann R. Strauß die aufrichtige Anerkennung seiner Zuhörer. – In demselben Konzert gab es ein kleines Intermezzo. Den zweiten Teil des Programmes bildete die Es dur-Symphonie von Haydn. Der erste Satz, das wundervolle Adagio, hatte bereits begonnen und alle schwelgten in dem Genusse dieser herrlichen Musik. Da läßt es sich jener Herr einfallen, nochmals umzukehren, um seine Handschuhe, die er vergessen, von seinem Platze zu holen. Kaum hatte Dr. Hans v. Bülow dies bemerkt, als der Taktstock wie ein Blitz auf das Dirigentenpult herniedersaust und alle Musiker sofort zu spielen aufhören. Wütend sieht sich Bülow nach dem Ruhestörer um und wartet geduldig, bis der letztere, dem die vorderen Thüren des Saales verschlossen bleiben, durch den ganzen Saal Spießruten gelaufen ist. Lebhafter Applaus und lautes Bravo-Rufen werden Herrn v. Bülow zu teil. Darauf erhebt er wieder den Taktstock, das Adagio beginnt von neuem und erfreut nun ununterbrochen die Herzen der Zuhörer.

verantwortlich für die Edition dieses Dokuments: Stefan Schenk

Zitierempfehlung

Richard Strauss Werke. Kritische Ausgabe – Online-Plattform, richard‑strauss‑ausgabe.de/b44056 (Version 2018‑01‑26).

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