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in: Allgemeine Zeitung, Jg. 104, Heft 309, München, Donnerstag, 7. November 1901, Abendblatt, Rubrik »Feuilleton«, S. 1

relevant für die veröffentlichten Bände: III/5 Don Juan

Das gestrige Volkssymphoniekonzert des Kaim-Orchesters brachte unter Hauseggers Direktion die Faust-Ouvertüre von Richard Wagner, die sinfonische Dichtung »Don Juan« von Richard Strauß und die und Dante-Symphonie von Liszt – drei typische Werke reiner Programmmusik. Ich erinnere mich noch lebhaft an die erste Aufführungen des Strauß’schen Werkes im Odeon. Damals war die Zuhörerschaft in zwei Lager gespalten und demonstrativer Beifall hatte erbitterte Abwehr zur Folge. Heute steht man dem interessanten Werk ruhiger gegenüber; Richard Strauß hat uns noch ganz Anderes und Stärkeres zugemuthet als den Don Juan, und Mancher, der beim ersten Hören damals nicht recht mitkam, hat inzwischen gelernt, der feurigen Energie dieser Rhythmik und der unerhört geistreichen und souveränen Behandlung des Orchesters sich zu freuen. Allerdings ist auch in diesem Werke die musikalische Erfindungen mehr fein und klug als stark, mehr en détail als en gros; es blitzt an allen Ecken auf, blendet, glitzert, klirrt und schwirrt durcheinander, aber der letzte Eindruck ist doch der einer enormen Technik und Künstlichkeit, ohne innere Sicherheit und ohne gelassene Größe. Den bis ins Fabelhafte gesteigerten Mitteln des Ausdrucks steht eine bedenkliche Dürftigkeit dessen, was eigentlich ausgedrückt werden soll, gegenüber. Es ist übrigens merkwürdig, daß all dieser musikalischen Erotik, von Venusberg angefangen, der wirkliche sinnlich süße bereits fehlt, wie er uns z. B. aus mancher Melodie des leichtsinnigen Rossini lieblich lockt. Diese modernen Schilderungen der Landschaft sind mehr rasend als verliebt; sie sind nicht zärtlich und nicht anmuthig; ihre wüthende Brunst gehört mehr ins Kapitel dem musikalischen Pathologie als der musikalischen Erotik. – Liszts Dante-Symphonie, von Hausegger, wie auch die beiden anderen Stücke, aus dem Gedächtnis mit staunenswürdiger Sicherheit dirigiert, beschloß den Abend und entfesselte stürmischen Beifall des so zahlreich wie noch nie erschienenen Publikums. Neben vielen Stellen unleugbarer origineller und genialer Erfindung enthält gerade dieses Werk lange Einöden ohne Baum und Strauch, und Liszts leidige Gewohnheit, alles mindestens dreimal zu sagen, ermüdet den Hörer und schwächt den Eindruck des wuchtig und groß angelegten Werkes ab. Ich kann mich mit der Schilderung des Inferno ebenso wenig befreundeten wie mit der Hölle von Berlioz im Faust, und so erschien mir die Francesca-Episode als eine wahre Lösung, wie ich auch das den Kirchentonarten nachgebildete Magnificat aufrichtig begrüßte, nachdem der Abend fast lauter verminderte Septimenaccorde gebracht hatte. Fr. Fellner sang das Solo ganz hübsch, Damen der Kaula’schen Gesangsschule hatten den Chor gebildet. Jedenfalls war der Abend interessant, und es wäre ein Verdienst Hauseggers, wenn er auch noch Straußens Eulenspiegel und Heldenleben aufführte; der Don Quixote sei ihm geschenkt!

verantwortlich für die Edition dieses Dokuments: Stefan Schenk

Zitierempfehlung

Richard Strauss Werke. Kritische Ausgabe – Online-Plattform, richard‑strauss‑ausgabe.de/b44029 (Version 2018‑01‑26).

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