Meiniger Hofcapelle (Wagner, Faust-Ouverture; Strauß, Don Juan; Brahms, Symphonie No. 1 C moll; Violinconcerte von Mendelssohn und Vieuxtemps: Eugène Ysaye.[)]
Der Gedanke, daß wir die Meiniger im nächsten Winter möglicherweise missen sollen, ist durchaus nicht angenehm, denn man wird mit der Annahme, daß das ausgezeichnete Orchester nebst seinem hervorragenden Führer, Herrn Generalmusikdirektor Steinbach, einen nicht unwesentlichen Faktor in unserem Leipziger Musikleben bedeutet, sich kaum einer Uebertreibung schuldig machen. Ganz abgesehen von der stets interessanten Zusammenstellung der Programme (ein Lob, das man gerechter Weise wohl allen bisherigen »Neuen« Abonnements-Concerten spenden kann!) ist es zunächst die den Stempel höchster künstlerischer Vollendung tragende Interpretation der aufgeführten Werke.
Ohne die Streicher damit zurücksetzten zu wollen, muß die außerordentliche Leistungsfähigkeit der Meiningischen Bläser, die sich diesmal wieder excellirten, besonders hervorgehoben werden. Man denke nur an den Schwung und die Kraft, an die Tonschönheit des Hörner-Unisono in Richard Strauß’ »Don Juan«. Uebrigens war die Aufnahme dieses Werkes trotz seiner glühenden, orchestralen Farbenpracht und wirklichen Melodik, trotz der virtuosen Wiedergabe eine auffallend kühle; es ist das derselbe Fall wie bei einer in ihren Einzelheiten durchaus lobenswerten Rede: beständig superlative Ausdrucksweise schwächt die Gesamtwirkung! – Glänzende Orchesterleistungen waren ferner Wagner’s »Faust-Ouverture« und Brahms’ C moll-Symphonie. Allerdings scheint uns die machtvolle Einleitung des ersten Symphonie-Satzes in einem etwas langsameren Tempo als es Herr Steinbach nahm, bedeutend eindringlicher zu wirken. – Geradezu frenetischen Jubel rief Eugène Ysaye mit dem vollendeten Vortrage der Violinconcerte von Mendelssohn und Vieuxtemps (E dur II. und III. Satz) hervor. Wie immer war die Orchesterbegleitung wiederum sorgfältig ausgefeilt.
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