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Von reinen Orchesterwerken brachten uns die Concerte des Orchestervereins ausser gutem Alten als etwas Neues für Breslau die symphonisehe Dichtung »Don Juan« von Richard Strauss und die 5. Symphonie von P. Tschaïkowsky. Beide Werke wurden unter Maszkowski’s liebevoller Direction gut aufgeführt, litten jedoch in der Werthschätzung ein Wenig im Vergleiche mit ihren im Vorjahre gehörten Geschwistern. Nach einmaligem Hören ist es bei R. Strauss freilich gewagt, zu behaupten, dass seine Tondichtung »Tod und Verklärung« höher stehe, als die nach dem Lenau’schen »Don Juan« geschaffene, die mit ihrem Uebermasse von Themen nicht so klar in der thematischen Arbeit, nicht so übersichtlich in ihrem Aufbaue erscheint. Als Meister der Instrumentation erweist sich Strauss natürlich auch in seinem »Don Juan«. Bei der Tschaïkowsky’schen Emoll-Symphonie kann man schon mit grösserer Zuversicht sagen, dass sie seiner Pathetischen Symphonie nicht ganz ebenbürtig ist. Bedeutend ist ihr erster Satz, von einschmeichelndem Wohlklange das Andante cantabile; etwas zu leicht für eine Symphonie ist der mit seiner ersten Melodie an Aennchen’s Romanze aus dem »Freischütz« erinnernde Walzer, und gemacht erscheint das Finale. Bei der Erfindung der Themen dieser Emoll-Symphonie hat Tschaïkowsky unter dem Einflusse deutscher Meister, hauptsächlich Beethoven’s, gestanden, wie ja wohl überhaupt gesagt werden kann, dass er von den russischen Componisten derjenige ist, der deutschen Vorbildern am nächsten steht.
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