B.
[ohne Titel]
in: Musikalisches Wochenblatt. Organ für Musiker und Musikfreunde, Jg. 23, Heft 1, Donnerstag, 31. Dezember 1891, Rubrik »Tagesgeschichte / Musikbriefe«, S. 3–4

relevant für die veröffentlichten Bände: III/6 Tod und Verklärung

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Frankfurt a. M., im December.

Die mit dem ersten Museumsconcert so verheissungsvoll begonnene Saison gewinnt immer mehr an Glanz und Interesse. Hr. Capellmeister Kogel hat bei seinem ersten Debut nicht die besten Trümpfe ausgespielt, sondern gerade in den folgenden Museumsconcerten auch Diejenigen überwunden, welche der mehr modernen Richtung des Dirigenten gegenüber ein gewisses Misstrauen nicht unterdrücken zu dürfen glaubten. […] An Novitäten erfreuten wir uns bisher der Ouverture zu »Benvenuto Cellini« von Berlioz, der »Préludes« von Liszt, der symphonischen Tondichtung »Tod und Verklärung« von R. Strauss, der Ouverture-Phantasie »Romeo und Julie« von Tschaïkowsky und des Dmoll-Violinconcertes Op. 58 von Max Bruch. Mögen uns die ersteren Meister verzeihen, dass wir ihnen M. Bruch angehängt; es ist kaum ein grösserer Gegensatz denkbar; bei Berlioz, Liszt und Strauss das edelste Gestein in selbstgeschaffener, durch den Stoff bedingter Form, bei dem Berliner Classiker unechte Steine in brillanter Fassung, eine Art Talmi-Musik, bei welcher nur die Mache einigen Werth beanspruchen [4] kann. […] Eine hochbedeutende Erscheinung ist die in Eisenach auf der Tonkünstler-Versammlung von dem Componisten vorgeführte und in der Stimmung an den 3. Act von »Tristan und Isolde« und die Schlussscene der »Götterdämmerung« erinnernde Tondichtung »Tod und Verklärung« von R. Strauss. Ein grosser Zug geht durch das ganze Werk, die glänzendste Instrumentation und eine merkwürdig klare Form sind mit poetischem Erfassen des Stoffes geeint. Mag vielleicht motivisch die »Don Juan«-Tondichtung des Künstlers noch hervorragender sein, deutlicher ohne aufdringliche Realistik kann die Tonkunst kaum sprechen. Wir sind daher auch sehr im Zweifel, ob es des als Programm nachgeschaffenen Gedichtes von Alexander Ritter bedurft hätte, zumal uns dasselbe das Reich des Idealen nicht erschliesst, sondern unsere Phantasie alltäglich in eine »ärmlich kleine Krankenkammer mit leise tickender Wanduhr« bannt. Wie nüchtern erscheint diese moderne naturalistische, fast pathologisch angehauchte Interpretation gegenüber der grossartigen Erhabenheit des einleitenden Cmoll-Largos, dem Nichts von der Atmosphäre einer Krankenstube anhaftet! Hier hätte wohl ein Lord Byron den richtigen Ton getroffen. – Des russischen Tonkünstlers Phantasie lässt dagegen ein Programm schmerzlich vermissen, das »d’après Shakespeare« erweckt Hoffnungen, welche nicht erfüllt werden. […] Hr. Capellmeister Kogel hat übrigens die beiden äusserst schwierigen Werke von Strauss und Tschaïkowsky meisterhaft klar und prägnant vorgeführt und den poetisch erhabenen Inhalt der Strauss’schen Tondichtung ohne jeden wohlfeilen Effect so vornehm wiedergegeben, dass der Wunsch einer Wiederholung in dieser Saison schon jetzt laut geworden ist. […]

verantwortlich für die Edition dieses Dokuments: Stefan Schenk

Zitierempfehlung

Richard Strauss Werke. Kritische Ausgabe – Online-Plattform, richard‑strauss‑ausgabe.de/b43291 (Version 2022‑11‑18).

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