(Fortsetzung.)
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In diesen Concerten sind von grossen Orchesterwerken Beethoven’s Bdur- und Cmoll-Symphonie, Berlioz’ »Harold in Italien« (Bratschensolo: Hofmusiker Vollnhals), Haydn’s Symphonie in G (No. 11) und weiter als Novitäten Grieg’s Suite aus »Peer Gynt« und Rich. Strauss’ Tondichtung »Don Juan« (nach Lenau) zur Aufführung gelangt, ferner an Ouverturen die selten gehörte No. 1 zu »Leonore«, Schumann’s zu »Genovefa« und Gade’s »Nachklänge an Ossian«. Die nicht eben grossartige, aber geschickt und effectvoll gesetzte Grieg’sche Novität machte einen so freundlichen Eindruck auf das Publicum, dass beide letzten Sätze vom Dirigenten wiederholt vorgeführt werden konnten. Ausserordentlich hervorragendes künstlerisches Interesse erregte dagegen Strauss’ »Don Juan«. Der jugendliche Componist, der mit Riesenschritten auf der sich ihm selbst vorzeichnenden Bahn weiterschreitet, hat dies bedeutsame Werk schon vor drei Jahren geschaffen. Grossartig in der Anlage, durchaus kraftvoll in der Empfindung, voll Leben und von blendender Fülle der musikalischen Farbengebung weist diese Schöpfung in der That in unverkennbarer Weise auf Rich. Strauss als einen sehr geistvollen in das Wesen und die Technik der neuen Musik ernst und tief eingedrungenen Künstler hin, dessen ebenso sichere wie glänzende Beherrschung des Materiales in hervorragender Weise Beachtung verdient. Das schwierige Werk war tüchtig vorbereitet worden und erzielte einen durchschlagenden Erfolg. An demselben Abende, der diese Novität brachte, folgte noch eine weitere: eine Rhapsodie für Orchester, »España«, von Emmanuel Chabrier, dem in Paris lebenden Componisten der in Carlsruhe und München mit Erfolg aufgeführten Oper »Gwendoline«. Eine – wie schon der Titel sagt – harmlose Composition, die – mit Benutzung spanischer Tanzweisen – durch äusserst effectvolle Instrumentirungskünste fesselt und den principiellen Gegnern der neueren Orchestermusik als passendes Object erscheinen mochte, um an ihm ihrem lange verhaltenen Ingrimme endlich Luft zu machen und ihr Müthchen zu kühlen. Schon unter Strauss’ »Don Juan«-Dichtung hatten sie zweifellos stark zu leiden gehabt, bei dieser aber – wohl aus Rücksicht auf den anwesenden Vater des Componisten, den pensionirten Kammermusiker Strauss, der (Spiel des Zufalls!) während seiner Activität Decennien lang zu ihren »thatenlustigsten« Koryphäen zu zählen war – noch geschwiegen. Als nun aber der Dirigent, allerdings etwas allzu bereitwillig dem Beifalle eines Theiles der Zuhörer folgend, die Rhapsodie da capo gemacht und zum zweiten Male beendigt hatte, wurden von der Galerie gegen ihn demonstrative Aeusserungen von einer Beschaffenheit laut, wie sie in diesem Raume bisher als unerhört gegolten hatten und in der That unseres Wissens auch noch niemals vorgekommen waren. In starkes Gezische mischten sich wiederholt laute »Pfui«-Rufe, denen sich sogar ein mit scharfer Stimme im Münchener Dialekt gerufenes »Pfui-Teifi« (»Pfui Teufel«) anschloss. Ein richtiger Concert-Scandal! Manche haben darin eine politische Demonstration gegen den französischen Componisten erblicken wollen. Diese Auffassung ist aber natürlich hinfällig, was ja schon daraus hervorgeht, dass jahraus jahrein in allen deutschen Hauptstädten ohne die geringste Opposition französische Musik aller Epochen aufgeführt wird. Es steht vielmehr ziemlich fest und könnte durch Nennung von Namen Zeugniss dafür angeführt werden, dass jener dialektische Kraftausdruck ein Symptom der Verrohung bildet, welche die ohnmächtige, blinde Wuth gegen alles Neue von einiger Originalität in den Köpfen einzelner Streitbaren [sic] jenes glücklicherweise zusehends zusammenschmelzenden Häufleins der oben erwähnten musikalisch-orthodoxen Clique angerichtet hat, deren gegenwärtiges Sprachrohr im Anfange des diesmaligen Berichtes etwas näher bezeichnet worden ist.
(Schluss folgt.)