Das Ereigniss des letzten grossen Gürzenich-Konzertes war neben dem Auftreten zweier gefeierter Gäste, Lilli Lehmann (Leonoren-Arie, Tristan-Finale, Lieder) und Alw. Schröder (Volkmann Konzert, kleine Musikstücke) das Erscheinen von Richard Strauss mit seinem gewaltigen »Don Juan«. Drei Proben hatten hingereicht, das kraftstrotzende, mit höchster Gluth der Leidenschaft erfüllte Werk zu tiefgreifender Wirkung zu bringen. Die Aufnahme gestaltete sich nach den glänzenden Ovationen von Publikum, Chor und Orchester zu einem Triumph für den jungen Titanen. Denn ein solcher muss er unter den lebenden Komponisten genannt werden. Strauss betritt hier ein höheres Gebiet, als in seinem sinfonischen Gemälde »Aus Italien«, denn er schildert gewaltige Seelenkämpfe. Don Juan’s ungebändigte Natur, sein Stürmen, seine Siegesgewissheit, daneben die Ergüsse berückendster Schmeichelei und wieder wildesten Taumels bis zum Zusammenbrechen seiner Natur, das Alles spiegelt sich in dieser Musik auf’s Grossartigste wieder [sic], ja selbst das Gefühl des Zuviel, des plötzlichen Ekels findet sich angedeutet. Mit dem Glanz der Orchesterfarben vereinigen sich die prächtigsten Klangwirkungen, und daneben ist in diesem aufregenden Werke, trotz der ungezügelten Fantasie, die Formschönheit immer streng gewahrt. Was steht uns von diesem jungen Meister noch Alles bevor, wenn der 26jährige schon so Gewaltiges zu Tage fördert. Wir hoffen hier nun mit seinem neuesten Werk »Tod und Verklärung« bald bekannt gemacht zu werden.
A. L.
[ohne Titel]
in: Allgemeine Musik-Zeitung. Wochenschrift für die Reform des Musiklebens der Gegenwart, Bd. 7, Jg. 18, Freitag, 13. Februar 1891, S. 90
relevant für die veröffentlichten Bände: III/5 Don Juan
Köln.