[127] Aus München schreibt man: Emanuel Chabrier, der anläßlich der Auffühung seiner Oper »Gwendoline« im Hoftheater der Mittelpunkt einer allseitigen, lebhaften und herzlichen Ovation [128] war, gab gestern mit einer Rhapsodie »Espanna«, im vierten Abonnements-Concert der musikalischen Academie, Anlaß zu sehr scharf laut werdenden Urtheilsdifferenzen innerhalb des Publikums. »Espanna« ist keck ungezuwungene Tanzmusik in vollendeter Instrumentation. Spanische Tanzmelodien sind zu kräftigen orchestralen Wirkungen etwas ungenirt derb verwendet, – und das mißfiel einem Theil der Zuhörer umsomehr, als die Majorität des Publikums nach der ausgezeichneten Wiedergabe des Werkes in lautesten Beifall ausbrach. Dem Kampfspiel zwischen Beifall und Zischen machte der Dirigent ein kühn-gewaltsames Ende, indem er den Zankapfel sofort nochmals zwischen die Kämpfer warf, will sagen, das Stück wiederholte. Natürlich wiederholte sich ebenso am Schlusse der Kampf der Meinungen, nur noch lauter und erregter. Von den Galerien her fielen sogar recht kräftig unparlamentarische Aeußerungen. –

Vor diesem heißumstrittenen Orchesterwerk hat eine andere moderne Tondichtung ganz unbestritten einen außerordentlich warmen Beifall, einen großen Erfolg errungen: »Don Juan« von Richard Strauß, ein Werk im Geiste Wagner’s, Liszt’s und Berlioz’, zugleich aber ein Beweisstück eigenster musikalischer Gestaltungskraft, voll Leidenschaft und Kühnheit. Es ist Musik von glühendem Colorit, aber auch von gedanklicher Tiefe und dramatischer Wucht. Hofcapellmeister Fischer, unter dessen Leitung das Werk sehr gut gespielt wurde, mußte dem Rufe des Publikums viermal auf das Podium folgen, um für den abwesenden Componisten die lebhaftesten Beifallsbezeugungen in Empfang zu nehmen.