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War das 3. Freitagsconcert ein classisches zu nennen, so hatte im folgenden Einer der vorzüglichsten Meister der neudeutschen Schule das Wort: Richard Strauss führte uns sein neuestes, mit Spannung erwartetes Werk »Also sprach Zarathustra« persönlich vor. Die Tondichtung lehnt sich in freier Weise an Nietzsche’s philosophisches Werk an, ist also Programmmusik, aber im edelsten Sinne des Wortes. Der Denker und Dichter Nietzsche stellt als sein Ideal den »Uebermenschen«, d. h. den Menschen in vollkommenster Geistesgrösse, der nur seinen eigenen Willen als einziges Gesetz über sich anerkennt, hin. Das Ringen nach dieser Vollkommenheit, das Sehnen nach Befriedigung durch Religion, Wissenschaft und Lebensgenuss bis zur endlichen Befreiung, hat nun Strauss in seinem Werke geschildert. Aus einem dumpfen Tremolo der Bässe erhebt sich in majestätischer Grösse das erste Motiv: von vier Trompeten im Einklang vorgetragen. Durch das hinzutretende Orchester wird die Tonart Cmoll festgestellt, die sich aber dann nach lichtem Cdur auflöst, dem Ganzen einen strahlenden Glanz verleihend. Es offenbart sich hier die Natur in ihrer erhabenen Grösse. Auf dieses Thema in Dur erscheint ein zweites in Hmoll, den Sehnsuchtsdrang schildernd. Ein »Credo« der Hörner, zu denen noch Streicher und die Orgel hinzutreten, weist auf die Religion als Befriedigung des Sehnsuchtsdranges hin. Doch wieder erscheint ein anderes fremdartiges Motiv; die Sehnsucht ist nicht gestillt. Ein neues Thema: »Von den Freuden und Leidenschaften« rauscht in wildem Aufjauchzen dahin, um bald einem Anderen zu weichen, welches ruheloses Unbefriedigtsein ausdrückt. Jetzt wird in einer fünfstimmigen Fuge, die Strauss in geistvoller Weise für diese Form gewählt hat, auf die Wissenschaft hingewiesen. Doch wieder erscheint in erhöhetem Instrumentalcolorit das Sehnsuchtsmotiv, bis nach einem Thema des Tanzes, die Befreiung der Seele von allen Sehnsuchtsqualen, von allen Erdenfesseln andeutend, das erste Motiv in gewaltiger Wucht und Grösse, von allen Blechinstrumenten eingesetzt, eintritt. Noch einmal erscheint das Fugenthema, mit dem Anderen in wundervollen Combinationen contrapunctisch verarbeitet, doch jetzt tritt ein ganz neues Motiv ein, das Lachen andeutend. Zarathustra fühlt sich jetzt frei und lacht über sein früheres Sehnen, er lacht und tanzt, bis die Stimmung ruhiger wird, und das ganze Werk in gehaltenen Hdur‑Accorden, in denen zum Schluss noch das 1. Thema: von den Bässen pizzicato gebracht, auftritt, dissonirend ausklingt, – ein ungelöstes Weltenräthsel. Die Ausführung dieser hochinteressanten Novität war, trotzdem an die Ausführenden Anforderungen gestellt werden, wie sie in solcher Weise wohl noch nie einem Orchester zugemuthet wurden, eine vorzügliche. Capellmeister Kogel hatte mit grösster Sorgfalt und Feinheit das Einstudiren geleitet, und der Componist dirigirte mit Schwung und Feuer. Kein Wunder, dass dementsprechend die Aufnahme eine enthusiastische war und in stürmischem Beifall sich äusserte. Nicht den gleichen Erfolg hatte die andere Tondichtung von Richard Strauss, »Macbeth«, auch vom Componisten persönlich geleitet. Zwar ist auch dieses Werk, welches den Shakespeare‑Helden feiert, ein hochinteressantes, die Stimmung ist, durch den poetischen Vorwurf bedingt, eine vorwiegend düstere, und die Schilderung des Wahnsinns äusserst charakteristisch, – der grosse, geniale Zug, der durch die »Zarathustra«‑Tondichtung geht, die sprudelnde Frische der Erfindung schien uns nicht in dem Maasse vorhanden zu sein, wie in »Zarathustra«. Dass auch in »Macbeth« das Orchester mit Meisterschaft behandelt ist, versteht sich bei Strauss von selbst. Die Ausführung war eine vorzügliche. […]