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Lessmann, Otto
[ohne Titel]
in: Allgemeine Musik-Zeitung. Wochenschrift für die Reform des Musiklebens der Gegenwart. Allgemeine Deutsche Musik-Zeitung, Bd. 10, Jg. 19, Freitag, 4. März 1892, Rubrik »Aus dem Konzertsaal«, S. 126

relevant für die veröffentlichten Bände: III/4 Macbeth

[…]

Als dritte bedeutsame Neuheit kam unter des Komponisten Leitung die Tondichtung »Macbeth« von Rich. Strauss zur ersten Aufführung. Das Werk ist vor desselben Komponisten »Don Juan« und »Tod und Verklärung« geschrieben, hat aber vor der nunmehrigen Veröffentlichung (München, Jos. Aibl) eine Umarbeitung erfahren, durch welche vornehmlich der Schluss nach einer anderen als der ursprünglichen Idee geformt worden ist. Der Komponist folgt in seiner Tondichtung der Handlung des Shakespeare’schen Trauerspiels in grossen Zügen; für Macbeth und sein Weib, sowie für die Hauptphasen der psychologischen Entwickelung Beider hat der Komponist sehr charakteristische und bedeutsame Motive erfunden, wie denn überhaupt ein reiches motivisches Material zur Verarbeitung gelangt. Dasselbe hat übrigens in dem zu dem Konzerte ausgegebenen Programmbuche von Seiten des Herrn Dr. Reimann eine äusserst klare und eingehende, auf die Dichtung stets Bezug nehmende Darstellung erfahren. Imposant wirkt der Eingang, ergreifend der Schluss, und im Ganzen ist das Werk trotz seiner gewaltig kühnen Harmonik auch klar und verständlich. Nur wenn der Komponist es unternimmt, den ausbrechenden Wahnsinn Macbeth’s, sowie das Vorüberziehen der Schatten der von Macbeth Erschlagenen, das Schlachtgetümmel, das »Grauen und Entsetzen beim Heranrücken des Birnam‑Waldes gegen Dunsinan« zu schildern, habe ich mich in dem brausenden Tonmeer nicht mehr zurechtfinden können. Herr Strauss hat dem Orchester wieder eine unerhört schwierige Aufgabe gestellt, aber sie ist insofern auch dankbar, als neben dem musikalischen Inhalt der Orchesterklang eine schier unerschöpfliche Fülle von eigenartigen und neuen Reizen entfaltet. Unter der befeuernden Leitung des Komponisten erfüllte das Philharmonische Orchester die Anforderungen desselben in trefflichster Weise. Die Aufnahme des »Macbeth« seitens des Publikums war sehr warm und der Komponist wurde mehrere Male hervorgerufen.

Im weiteren Verlauf des Konzertes kamen unter Herrn von Bülow’s Leitung noch Brahm’s Ddur‑Sinfonie und die grosse Leonoren‑Ouvertüre von Beethoven in gewohnter geist‑ und lebensvoller Weise zu Gehör.

[…]

verantwortlich für die Edition dieses Dokuments: Stefan Schenk

Zitierempfehlung

Richard Strauss Werke. Kritische Ausgabe – Online-Plattform, richard‑strauss‑ausgabe.de/b42609 (Version 2017‑03‑31).