Der Dresdner Anzeiger schreibt: »Ein auswärtiges Blatt teilt mit, unserem Musikreferenten Prof. Brandes sei seine Stellung für 1. Juli gekündigt und er sei bis dahin von der Kritik der Opern in unserem Blatte entbunden worden. Diese Nachricht ist in allen Teilen falsch. Prof. Brandes bleibt in seiner hiesigen Stellung bis zum 1. Oktober und wird bis zu seinem Ausscheiden, das durch seine Wahl zum Universitätsmusikdirektor in Leipzig veranlaßt ist, auch die Opern nach wie vor besprechen.«
Dieses Dementi macht sich einen ziemlich unwesentlichen Irrtum zunutze, der unsern Gewährsmann tatsächlich untergelaufen [sic] zu sein scheint. Was dieser über die Form der Maßregelung des Prof. Brandes schrieb, mag nicht ganz richtig gewesen sein, die Tatsache der Maßregelung aber besteht. Es fiel in Dresden allgemein auf, daß wohl die Kritik der ersten »Elektra«-Aufführung, eine scharfe Verurteilung der Straußschen Tondichtung, von Professor Brandes geschrieben war, daß sich aber dann kritische Besprechungen der weiteren Vorstellungen aus einer anderen, ziemlich den entgegengesetzten Standpunkt vertretenden Feder anschlossen. Was man vermutete, so lesen wir in der neuesten Nummer der Leipz. Neuest. Nachr., hat sich bestätigt. Die mit der Dresdener Ratsbehörde identische Stiftungsverwaltung, die dem in städtischem Besitze befindlichen Dresdner Anzeiger vorsteht, hat Friedrich Brandes nach seiner Elektrakritik die weitere kritische Behandlung der Strauß-Woche entzogen und einem anderen Kritiker übertragen. Sie ging dabei von der Ansicht aus, daß es Dresden als Fremdenstadt schädige, wenn eine nach ihrer Meinung so hervorragende Darbietung, wie die Strauß-Woche, in dem städtischen Blatte nicht wohlwollend behandelt werde. Da Professor Friedrich Brandes aus seiner Stellung in Dresden ohnedies ausscheidet, so hat sich dieser Konflikt ohne die Schärfe abgewickelt, die er wohl sonst angenommen hätte. Das heißt mit anderen Worten: Wenn Prof. Brandes nicht gekündigt wurde, so verdankt er das bloß dem Umstand, daß er den Dresdener Staub ohnehin bald von den Füßen schüttelt. Wobei wir dahingestellt sein lassen, ob nicht die Absicht der Kündigung zuerst tatsächlich bestand und erst fallen gelassen wurde, als die Geschichte wider Erwarten durch ein »auswärtiges Blatt« publik wurde.